Auf dem Weg von Würzburg nach Nürnberg schweift der Blick des Reisenden über die Mainebene hinweg und bleibt an einer merkwürdigen Tafelformation, dem Schwanberg, hängen. Am Fuße der Erhebung - unweit der Kreisstadt Kitzingen - liegt der Weinort Rödelsee. Und wer sich die Zeit nehmen kann, über die anliegenden Felder zu streifen, der stößt vielleicht auf ein umfriedetes Grundstück, dessen Inventar nicht nur der unaufhaltsamen Gewalt der natürlichen Erosion ausgesetzt ist, sondern immer wieder und im wahrsten Sinne des Wortes "Stein des Anstoßes" wurde. Ein jüdischer Friedhof in Deutschland |
|
|
"Die Grabsteine verwittern. Die Inschriften zerfallen bis zur Unlesbarkeit. Im Staub des Gesteins verlieren sich die Namen der Toten, erlischt das Gedächtnis an sie. Die überlebenden Zeugnisse jüdischer Kultur drohen zu verschwinden in diesem Land der geplanten Vergeßlichkeit. Fortwährende Schändungen jüdischer Friedhöfe, Brandanschläge auf Gedenkstätten und Synagogen, offen artikulierter Antisemitismus in Worten und Untaten zeigen, dass Auschwitz hineinreicht in die gesamtdeutsche Gegenwart. Rödelsee also, der israelitische Bezirksfriedhof nahe Würzburg. Ein besonderer Ort, gefährdet von natürlichem Zerfall des Gesteins und akutem Vandalismus. Die verwitternden Grabsteine als Metapher des Verschwindens wie als Herausforderung zur Spurensuche: 'Ist es möglich, die menschlichen Sinne empfänglich zu machen für die Auszehrung der Zeichen und so dem unaufhaltsamen Ende der Anschauung - Anschaulichkeit abzutrotzen?' (Klaus Kreimeier) Christian Reuther und Michael Schneeberger dokumentieren und entziffern: acht exemplarische Grabsteine - ihre Inschriften zerrieben oder skelettiert - werden mit Hilfe fotografischer Techniken und detektivischer Archivarbeit zum Sprechen gebracht. Und sie erzählen die Geschichte der Bestatteten; erzählen von Familienbanden und Berufsstolz, von Religiosität und Gesetzestreue, von Heimat und von Austreibung, von Ermordung und Zerstreuung während und nach der Nazibarbarei." (aus: Nichts mehr zu sagen und nichts zu beweinen. Edition Hentrich, Berlin 1994, ISBN 3-89468-150-0) Durch die großzügige Unterstützung des Vereins Schule und Erziehung e.V. und unter Mithilfe von drei weiteren Aschaffenburger Vereinen ist es der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gelungen, aus Anlass der sechzigsten Wiederkehr der Reichspogromnacht diese eindrucksvolle Ausstellung hierher nach Aschaffenburg zu holen. Die Vorgänge vom November 1938 vor Ort sind dokumentiert und bekannt. Mit diesem Projekt möchten wir den Menschen am Untermain eine anschauliche Gelegenheit geben, aus der Geschichte zu lernen und zu erkennen, dass nicht nur Klassik, Germanen- und Christentum, sondern auch jüdische Religion und jüdisches Brauchtum einen mächtigen Wurzelzweig europäischer Kultur und einen wesentlichen Faktor unserer Heimatgeschichte darstellen: auch wir finden vor Ort bauliche Zeugnisse dieser Kultur, auch ihre Schändungen sind in der Ausstellung dokumentiert. Reinhard Frankl, im Oktober 1998 |
Nichts mehr zu sagen
Ein jüdischer Friedhof in Deutschland
Eine Ausstellung von Christian Reuther Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat diese bundesweit beachtete Ausstellung bereits zweimal in ihre Heimat geholt. Zum
ersten Mal vom 7. Februar bis zum 6. April 1997 in das Mainfränkische Museum
Würzburg. Regierungsbezirk Unterfranken und Stadt Würzburg waren hier
dankenswerterweise Mitveranstalter.
Schirmherrschaft: Einen visuellen Eindruck von der Aschaffenburger Ausstellung 1998 erhalten Sie über die Hyperlinks Blick 1 und Blick 2. Die Erlaubnis der elektronischen Verbreitung von Bildern und Texten haben wir freundlicherweise von den beiden Autoren übertragen bekommen. Sie sind im Katalog der Ausstellung enthalten, bei dessen Verlag auch die rechte liegen. (Titel und ISBN-Nr. s. oben). Diese virtuelle Führung kann und will nicht den Besuch der reellen Ausstellung ersetzen. Im Gegenteil! Sie will auf die Wanderausstellung aufmerksam machen und zum Besuch motivieren, wo immer sie gerade gezeigt wird. |
|
Unten eine Zusammenstellung von Texten, die die Ausstellung in Aschaffenburg und ihr Echo dokumentieren. Eröffnungsrede v. M. Schneeberger Pressespiegel:MAIN-ECHO v. 07.11.98 FAZ vom 10.11.98 MAIN-ECHO v. 11.11.98 MAIN-ECHO v. 12.11.98 MAIN-ECHO v. 04.12.98 |