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- Meine sehr geehrten Damen
und Herren, liebe Freunde!
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Ich wurde gebeten, aus
gegebenem Anlaß heute am 8. November 1998, sechzig Jahre
nach der Pogromnacht gegen die deutsche Judenheit einige Worte zu
sagen über verschiedene Aspekte unseres
Ausstellungsprojektes "Friedhof Rödelsee", ein
Projekt, das ausgehend vom heutigen Augenschein fortschreitender
Verwitterung und Entschwindens gelebter Erinnerung in die anonyme
historische Betrachtensweise, den Versuch wagt, die Zeit
zurückzuholen, an deren Abschluß diese Nacht der
Barbarei stand mit den brennenden Synagogen, den demolierten
Wohnungen und den gedemütigten "jüdischen
Mitbürgern".
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Als ich vor einigen Wochen im
Zusammenhang mit einer Familienrecherche hier in Aschaffenburg
wieder einmal die kleine Ausstellung im Rabbinerhaus am
Wolfsthalplatz besuchte, lernte ich eine ältere Dame kennen,
eine ehemalige Aschaffenburgerin, die mit ihrer Familie noch im
letzten Moment das Land verlassen konnte. In den wenigen Worten,
die wir wechselten, spürte ich noch immer die Verbundenheit
mit diesem Land, mit der Heimatstadt - und die Trauer, daß
niemand mehr da ist, mit dem die Gefühle der Erinnerung
geteilt werden können.
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Die Gefühle der
Erinnerung an das Leben vor der Katastrophe. Von diesem Leben zu
erzählen, war unser Hauptanliegen für die Ausstellung
über den Friedhof Rödelsee als eine exemplarische
Betrachtung.
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"Mögen die, die
jetzt zerstreut in allen Teilen der Welt leben, die alte Heimat
nie vergessen und ihre Kinder lehren, was sie Gutes und Schönes
vor sich sahen. Dann wird die alte Kehilla, die alte Gemeinde
nicht umsonst gelebt haben." (Samuel Jeselsohn, Tel Aviv
1942)
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Ich hoffe, im folgenden Ihre
Zeit nicht über Gebühr zu beanspruchen und bitte Sie
schon im Vorhinein um Entschuldigung, wenn manches unerwähnt
bleibt und anderes die ganz persönliche Sicht des Redners
darstellt:
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Es war klar, als ich Christian
Reuther im Herbst 1990 traf, um mit ihm über meine Mithilfe
bei einem Ausstellungsprojekt "Jüdischer Friedhof
Rödelsee" zu sprechen, daß ein solches Projekt
nicht nur exotische - jüdische - Steine in fränkischer
Landschaft zum Thema haben konnte, sondern daß es um die
Menschen gehen mußte, die dort in der Nähe von
Kitzingen am Fuße des Schwanbergs bei Rödelsee in
Unterfranken bestattet wurden, um ihre Vorfahren, ihre
Nachkommen, ihr Leben und Sterben - kurz um die Welt der
fränkischen Landjuden am exemplarischen Beispiel des
Friedhofbezirks Rödelsee mit seinen etwa zehn Gemeinden.
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Ich möchte jetzt nicht
wiederholen bzw. vorwegnehmen was sie in einigen Augenblicken
sowieso zu Gesicht bekommen, die verschiedenen Lesarten und
Lehrstücke dieses Unterfangens, die unterschiedlichen
Menschen, ihr Herkommen und ihr Weiterkommen, ihre Religion, ihre
Geschichte, ihr Schicksal.
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Die Menschen, die ihre Toten
im jüdischen Distriktfriedhof von Rödelsee bestattet
haben, waren Hiesige. Sie waren deutsche Staatsbürger,
seitdem es deutsche Staatsbürger gab und sie waren
Würzburgische, Ansbachische, Crailsheimische, Castellische,
Schwarzenbergische usw. Untertanen, solange sie Untertanen sein
mußten. Man kann mir nun entgegenhalten, das stimme doch
nicht. Sie waren Schutzjuden, sie seien doch Fremde gewesen.
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Dem muß ich erwidern:
"Sie waren keine Fremden, sie wurden zu Fremden gemacht."
Sie selbst, sie waren keine Fremden, denn sie waren von hier, sie
waren ein Teil dieser Gesellschaft und sie sind ein Teil der
Geschichte dieser Gesellschaft und - so Gott will - sie sind, wir
sind - auf dem Weg - vielleicht - wieder ein Teil dieser
Gesellschaft zu werden, wenn nicht, ja, wenn nicht jene wären,
die heute den multikulturellen Gottseibeiuns an die Wand malen.
Dieselben, die bis ins neunzehnte Jahrhundert den Antichrist und
danach den jüdischen Untermenschen auf ihr Kriegspanier
geschrieben haben.
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Wie hat John Joel - Hänschen
- Stein in New York gesagt: "Aber ich bin doch Kitzinger,
ich hab doch sonst nichts".
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Das war und ist die Grundlage
unserer Dokumentation, unserer Forschungen über diesen
Gottesacker. Ja, Gottes Acker.
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Denn so wie die Rödelseer
- lassen Sie sie mich fürs Weitere so nennen - so, wie sie
Hiesige waren wie all die anderen, so waren sie auch
unterschieden, nicht fremd, nein, anders waren sie. Wie hätten
sie auch fremd sein können, um mit Karl Valentin zu
sprechen: "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde", und
sie waren nicht in der Fremde, denn sie waren hier zu Hause. Zu
Hause in einem anderen Haus. Im Haus des jüdischen Gottes,
bestattet auf dem Acker des jüdischen Gottes. Gottes Acker.
- Als wir vor einigen Jahren
eine Vorabfassung der Ausstellung in Kitzingen zeigten, wurde ich
von einer Bekannten angesprochen: "Das ist ja sicherlich
interessant und auch wichtig, was Sie da machen, aber eines muß
ich Ihnen schon sagen. Ich weiß nicht, ich hab dieses große
Bild mit den Frauen betrachtet. Die sehen doch ganz normal aus.
Ganz normal, wie die Kitzinger eben sind. Einige liebe Gesichter,
andere abweisend. Intelligent oder auch weniger. Auf jeden Fall,
ganz normale Leut. Wie die Kitzinger halt so sind."
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Ja, genau. Das ist es ja eben!
Und über die Hälfte dieser siebzehn Frauen hat man im
Osten ermordet. Ganz normale Kitzinger.
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Auch das wollen wir zeigen.
Auch davon wollen wir berichten: Von der Normalität des
Lebens in der fränkischen Provinz - und vom schrecklichen
Ende.
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Seit meiner Rückkehr nach
Deutschland im Jahr 1985 beschäftige ich mich mit der
Geschichte der hiesigen Juden. Nicht zum Selbstzweck, sondern um
Freunden und Bekannten in aller Welt, deren Familien von hier
stammen, Nachricht und Information zu geben über die eigene
Vergangenheit.
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Die Ergebnisse meiner Jahre in
Israel, der Nachforschungen in Deutschland und der Reisen ins
europäische und amerikanische Ausland haben die Grundlage
gebildet für die Zusammenarbeit mit Christian Reuther.
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Ohne ihn und seine oft andere
Sicht der Dinge wäre die Verwirklichung dieses schwierigen
Projekts nie möglich gewesen. Seine Ausbildung in Würzburg
als Designer und Ausstellungsgestalter, seine Kenntnisse des
neuesten Stands der Technik in den verschiedensten Bereichen,
seine photographischen Fähigkeiten, seine Recherchen, die
gemeinsamen Reisen und Ausflüge, all diese Aktivitäten
zusammengenommen haben das Rödelseeprojekt erst ermöglicht.
Wieviele Menschen in aller Welt uns dabei hilfreich zur Seite
standen, welche Archive, Dokumentationszentren, Bibliotheken usw.
uns dabei geholfen haben, können Sie dem Anhang des
Katalogbuches zur Ausstellung entnehmen. Das Buch selbst hat
seine eigene Geschichte, auf die einzugehen jetzt zu weit führen
würde.
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Ich möchte an dieser
Stelle meiner Gemeinde, der Israelitischen Kultusgemeinde für
Würzburg und Unterfranken danken, zu der ja bekanntermaßen
auch die gar nicht so wenigen Aschaffenburger Juden gehören,
wenn natürlich deren geographische Orientierung zur großen
Frankfurter Gemeinde hin naheliegt.
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Das Faktum allein, daß
wir vor allem in den Sommermonaten in unserem Würzburger
Gemeindezentrum Gäste aus aller Welt zu Besuch haben, über
die ich in den letzten Jahren eine große Anzahl wichtiger
Verbindungen knüpfen konnte, hat uns manchen Weg geebnet,
der für die Ausstellungsarbeit von Bedeutung wurde. Ich
denke dabei an den Marktbreiter Mordechai Markus Oppenheimer aus
Kfar Pinnes in Israel, Professor Nigal von der Bar Ilan
Universität und Naftali Bar Giora Bamberger in Jerusalem.
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Eines Sonntags fuhren wir von
Köln nach Amsterdam. Wir suchten das Grab von Hermann
Sondhelm aus Kleinlangheim, der in Westerbork, dem Auffang- und
Durchgangslager der holländischen Juden verstorben war, und
dessen Urne in Diemen bei Amsterdam nach dem Krieg bestattet
wurde, wie ich von einer früheren Reise nach Assen,
Hooghalen und Westerbork in Nordholland wußte. Mehr
zufällig fanden wir den Friedhof, fanden wir das Grab und
konnten einige Fotos des Grabsteins machen. Letzlich verwendeten
wir aber doch aus gestalterischen Gründen ein historisches
Bild des Grabsteins, das uns Lothar Hahn in Jerusalem zur
Verfügung gestellt hatte. Ein Beispiel, wie unsere
Materialien zusammenkamen.
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Unsere Ausstellung ist in den
letzten Jahren in kleineren und größeren Städten
West- und Ostdeutschlands gezeigt worden. Der prominenteste Platz
war dabei das Deutsche Historische Museum in Würzburg.
- Obwohl weder der Ort
Rödelsee noch seine in der dortigen Gegend beheimateten
Juden auf den ersten Blick irgendeinen Bezug zu den jeweiligen
Ausstellungsorten zu haben schienen, fand sich doch bei näherer
Betrachtung meist eine verbindende Gemeinsamkeit: Seien es die
engen Geschäftsbeziehungen des Kitzinger Weinhändlers
Simon Hahn zur thüringischen Hauptstadt Erfurt oder die
Jahre, die der spätere Kitzinger Rabbiner Immanuel Adler als
junger Religionslehrer in Siegburg bei Bonn verbrachte, bevor er
Rabbiner des späteren Distriktsrabbinats Kitzingen wurde und
bevor er seine Braut Judith Bamberger, eine Tochter des berühmten
Würzburger Rav heiratete.
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Adler - Bamberger
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Somit wären wir bei der
jüdischen Gemeinde Aschaffenburg, haKehilla haKeddoscha
Aschaffenburg, bei der Heiligen Gemeinde Aschaffenburg
angekommen. Etwas respektlos hieß und heißt sie noch
immer bei den wenigen jeckischen Juden in aller Welt: Toches
Meloches Zion: Toches, nu, Toches. Meloches, Maloche - schaffen.
Burg - Zion. A'sch - schaffen - burg.
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Nachdem der Reformrabbiner
Gabriel Neuburger Mitte des letzten Jahrhunderts in Aschaffenburg
abgewählt worden war, kam als Nachfolger der orthodoxe
Abraham Adler, geistiges Oberhaupt des von der Regierung in
Würzburg neu bestätigten Rabbinats Burgpreppach. Sein
Bruder Josef Gabriel Adler löste ihn in Burgpreppach ab, um
das dortige Rabbinat zu übernehmen, Abraham Adler blieb in
Aschaffenburg bis zu seinem Tod im Jahr 1875. Er wurde, wie
später auch seine Witwe auf dem Erbig bei Schweinheim
beerdigt, wo sich auch die Gräber der Familie des späteren
orthodoxen Rabbiners und Verwandten von Adler, Simon Bamberger
befinden.
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Zugang zu den Aschaffenburger
Juden. Ich hab es Versucht. Ich wollte vor wenigen Tagen in
Vorbereitung für diese kleine Rede über
Querverbindungen und Bezüge, auf den Erbig. Ich kam nach
Aschaffenburg. Ich ging ins Rathaus. Zu. Geschlossen.
Friedhofsamt nur bis 12.00. Kein Schlüssel zum Erbig. Ich
frage wiederum nach am Glaskasten am Empfang. Nichts. Ich gehe
zum Stadt- und Stiftsarchiv. Ich frage ebenfalls nach. Vor
einigen Wochen war ich hier wegen der Adlers. Man war damals sehr
offen und freundlich. Jetzt: die Tür nur einen Spalt
geöffnet. Ich erzähle mein Anliegen. Wie ein Bettler
auf der Durchreise. Nichts. Nur eins: Wo ich Herrn Körner
erreichen kann. Einige Anrufe. Und endlich der erlösende
Hindweis: Frau Dähne. Wieder ins Rathaus. Und jetzt endlich
komme ich ans Ziel meiner Wünsche dieses Tages:
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Herr und Frau Dähne
fahren mit mir hinauf auf den Erbig, den ich nach all den
Unwirtlichkeiten ohne Hilfe und ohne Schlüssel erreichen
wollte, und merke, daß dies allein ein sehr schwieriges,
wenn nicht unmögliches Unterfangen geworden wäre.
Sturheit - der Lebenssaft jeder Recherche führte letztlich
zu einem positiven Ergebnis.
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Und ich erhielt drei
Belohnungen:
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Erstens: Die Gräber der
Bambergers und der Adlers, die die Verknüpfung zwischen
Aschaffenburg und Rödelsee darstellen: Familie Bamberger
kommt aus Wiesenbronn bei Rödelsee und hat generationenlang
dort beerdigt. Unsere siebte, die Ehrentafel der Familienreihe
berichtet davon. Der Neffe von Abraham Adler, Imanuel Menachem
war über 40 Jahre Rabbiner in Kitzingen, Abrahams Schwester
Lea war die Frau von Salomon Bamberger, dem späteren
Rabbiner von Sennheim im Elsaß, die jüngste Schwester
des Salomon war die Frau des Kitzinger Rabbiners, die Schwester
Immanuel Menachems war die Gattin Salomons. Verschwägert und
verschwippt. Rabbinische fränkische jüdische
Mischpochologie. Rödelsee und Aschaffenburg werden ein
Familienereignis.
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Zweitens: Ich habe noch nie
einen so schönen Blick vom jüdischen Friedhof auf den
Ort gefunden, für den er mit anderen jahrhundertelang
Friedhof war. Allein dieses Panorama - und nicht einmal bei
besonders schönem Wetter, machte es k'dei, lohnte die
Rennereien, die Bittgänge und die Telefonate.
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Und drittens natürlich
die ganz konkrete Bekanntschaft mit den Menschen, die sich um den
Erhalt der langen und vielfältigen Geschichte der
Aschaffenburger Juden bemühen: Frau Gehrig im Rabbinerhaus,
Herr Körner vom Mainecho, Herr Frankl von der GEW und Frau
Dähne, die die Friedhofsdokumentation durchführt und in
der ich eine Mitstreiterin gefunden habe auch für die
Belange der gemeinsamen heutigen jüdischen Gemeinde mit Sitz
in Würzburg in der Sorge um den Religionsunterricht für
die jüdischen Kinder in der Aschaffenburger Gegend. Das
Vergangene und das Heutige trafen sich.
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Wir würden heute
sicherlich manche Texte anders schreiben, würden zusätzliche
Informationen verwenden wollen, könnten das eine
eindrücklicher nachvollziehbar machen, das andere
komprimierter veranschaulichen.
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Viele Familienschicksale sind
mir heut vertrauter, viele neue Freundschaften und
Bekanntschaften haben Türen geöffnet, die mir neue
Aspekte jüdischen Lebens der Vergangenheit offenbarten, wie
z.B. die Veröffentlichung der Lebenserinnerungen des Aron
Benario aus Obernbreit in der Schriftenreihe des Stadtarchivs
Würzburg. Die Entdeckung dieser Lebenserinnerungen eines
fränkischen Dorfjuden im 19. Jahrhundert bei der Enkelin in
London vor einigen Jahren steht auch im engen Zusammenhang mit
unserer Rödelseer Friedhofsarbeit. Dies können wir
beide auch für unsere nachfolgenden Arbeiten sagen, die sich
aus dem Ausstellungsprojekt über der jüdischen Friedhof
Rödelsee ergeben haben:
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Sei es Christian Reuthers
Gestaltung einer Ausstellung über jüdische Schulen im
Berlin seit Moses Mendelsohn im Gropius-Bau in Berlin, seine
fachliche Beratung für die Ausstellung eines Schülerprojekts
des Europäischen Kulturzentrums in Erfurt und des
Stadtmuseums in Gera über die Geschichte der thüringischen
Juden oder seine Konzeption der weltweit Aufsehen erregenden
Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten
Weltkrieg, die zur Zeit in Bonn zu sehen ist - der Ausgangspunkt
war die Ausstellung, die sie jetzt vor sich sehen.
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Mich selbst hatte die
Rödelseer Ausstellungsarbeit gezwungen, jahrelang gesammelte
Materialien in eine Form zu bekommen, Texte zu formulieren und
oft in akribischer Kleinarbeit familiäre und
gemeindepolitische Zusammenhänge der hiesigen Judenschaft
klarzulegen und durchsichtig zu machen. Diese Arbeit führte
1996 zu einer ersten Fassung des Gedenkbuches für die in der
Schoah, im Holocaust ermordeten Kitzinger Juden, ein Gedenkbuch
für diejenigen, die nicht in Rödelsee bestattet wurden,
denen keine Matzewah, kein Grabmal errichtet wurde - und soll, so
Gott will, im folgenden Jahr durch die Mithilfe von Christian
Reuther und Johannes Bacher und des Fördervereins ehemalige
Synagogoe Kitzingen e.V. in einer ganz offiziellen Publikation in
adäquater Form erscheinen:
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Dieses Memorbuch wird die
Ausstellung, die sie vor sich sehen, um jene ergänzen, die
in Rödelsee keine Ruhe fanden, und denen "Yad va Shem"
- Gedächtnis und Name erhalten werden soll.
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Der bekannte jüdische
Publizist Henryk Broder hat in einer Besprechung der Ausstellung,
diese sozusagen zum Gegenentwurf erhoben zu all den Plänen
und Vorhaben, ein nationales Holocaustdenkmal in Deutschland bzw.
in Berlin zu errichten.
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Der Vergleich ehrt uns, aber
mir persönlich ist dies eine Nummer zu groß.
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Wir beide wollten und wollen
ja sehr viel weniger:
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Christian Reuther hat über
die Fotodokumentation des Friedhofs Rödelsee im Jahr 1990
und durch das Entsetzen über die gleichzeitig in ganz Europa
stattfindende Welle von Zerstörungen jüdischer
Friedhöfe dieses Projekt entworfen, in der Absicht an Hand
der zerfallenden Grabsteine des jüdischen Friedhofs Rödelsee
zu zeigen, wie die Erinnerung zerfällt, wie das Gedenken
zerrinnt.
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Ich habe, nachdem ich aus
gesundheitlichen Gründen in Deutschland bleiben mußte,
1985 mit den lokalgeschichtlichen Forschungen begonnen, zum
ersten für die Freunde in aller Welt, deren Familien
jahrhundertelang hier zu Hause waren und zum zweiten, weil es
sich für einen jüdischen Newcomer, der versuchen mußte,
sich mit all seiner Kraft seine jüdische Heimat zu schaffen,
dies in einer Region wie der unsrigen, mit einer so reichen und
vielfältigen jüdischen Vergangenheit wie von selbst
angeboten hat.
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Als wir beide zusammenkamen,
haben wir dann nur versucht, darzustellen, wie Nachgeborenen
möglich ist, aus der Beschäftigung mit einem der vielen
jüdischen Friedhöfe in Deutschland, die Erinnerung an
diese Menschen und ihre Welt zu erhalten bzw. wachzurufen.
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All das konnte uns nur
gelingen, weil wir neben der großartigen Mithilfe von
jüdischen und nichtjüdischen Freunden in aller Welt,
eine Grundlage hatten, deren sprachlichen Ausdruck ich hier in
Aschaffenburg auf dem Gedenkstein am Wolfsthalplatz gefunden
habe:
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"Töten könnt
ihr, aber nicht lebendig machen, wenn es die Liebe nicht tut"
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