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- GRABSTEINE gegen das
Vergessen: Sie sind Ausgangspunkt einer Ausstellung über den
Friedhof Rödelsee im Aschaffenburger Rathaus, die
beispielhaft die Geschichte jüdischer Gemeinden und ihrer
Mitglieder aufleben läßt.
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Widerstand gegen den »zweiten
Tod« des Vergessens
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Ausstellung über den
jüdischen Friedhof Rödelsee zeigt beispielhaft
Schicksale von Personen und Gemeinden
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Am Montag, 9.
November, werden 60 Jahre vergangen sein, seit in der
»Reichspogromnacht« jüdische Gebäude
demoliert, Synagogen angezündet, jüdische Staatsbürger
mißhandelt und ermordet wurden. Dies alles bildete den
Auftakt zu weiterer Unterdrückung und zum Massenmord in den
Konzentrationslagern. Im Lichthof des Aschaffenburger
Rathauses zeigt eine Ausstellung anhand des Friedhofs von
Rödelsee am Schwanberg das Leben jüdischer Gemeinden
und persönliche Schicksale. Am Sonntag, 8. November, wird
die Ausstellung um 18 Uhr offiziell eröffnet.
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- Über ihren konkreten Gegenstand hinaus bietet die Ausstellung
einen Abriß zur Geschichte der Juden in den deutschen
Territorien, von ihrem Leben und den Verfolgungen im
Mittelalter über die Emanzipation im 19. Jahrhundert bis zur
Vernichtung der Gemeinden durch das Nazi-Regime. Die zum
Friedhof Rödelsee verfügbaren Daten sind
zusammengestellt, sie geben auch einen Abriß über die
jüdische Bestattungskultur. Nachweisbar ist die
Begräbnisstätte für das Jahr 1563, vermutlich ist
sie älter. Sie wird Anlaß zu Verhandlungen mit den
Territorialherren um Schutz und Genehmigungen. Zahlreiche
Gemeinden, zum Teil aus entfernteren Orten, nutzten den Friedhof,
darunter Kitzingen, Sommerhausen und Marktbreit, Sommerach,
Wiesenbronn, Segnitz und Rödelsee selbst, insgesamt mehr als
1200 feststellbare Grabsteine. Die bunt verstreuten
Landesherrschaft in diesen Gebieten brachten zur Entfernung
zusätzliche Beschwerden. Bis in das 18. Jahrhundert war
bei jedem Überschreiten einer Landesgrenze eine
Judenleibzoll fällig.
- Schon
frühzeitig ummauert und mit einem kleinen Leichenhaus
ausgestattet, entwickelte die Anlage ihre eigene Geschichte:
Verwaltung und die damit befaßten Personen,
Beschädigungen, Ausbau. Bei schlechtem Wetter war er
noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg über die mäßigen
Wege kaum zu erreichen. Gegen 1890 in schlechtem Zustand,
erfuhr er danach eine neue Ordnung und Pflege durch Statuten.
- In
der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ging das
Leichenhaus in Flammen auf, 1950 wurden seine Reste abgerissen.
Die schlimmste Schändung mit besonders feiger und
ehrloser Gewalt gegen wehrlose Verstorbene fällt in das Jahr
1939.
- Der
Leichenwaschstein blieb erhalten, aufgerichtet und mit einer
Inschrift versehen, erinnerte er an die Schändung von
1938. Noch 1981 fanden sich Schergen, die den Stein systematisch
und mit mitgebrachten Werkzeugen zerschlugen.
- Die
Ausstellung und umfassender der ausgezeichnete Katalog zeigen das
Wirken der Chevrah Kaddisha, der Bestattungsgemeinschaften,
in denen Männer und Frauen getrennt für die männlichen
und weiblichen Gemeindeangehörigen wirkten. Dieser Dienst,
der seinen Mitgliedern eine ehrenvolle Stellung sicherte,
beinhaltete nicht nur die Waschung und Bestattung, sondern auch
die vorangehende Sterbebegleitung. Die Torahschreiber der
Familie Oppenheimer übten nicht nur das schwierige
Geschäft der höchste Sorgfalt erfordernden Schreibkunst
der Schriftrollen aus, sondern auch die bei anderen religiösen
Texten. Für den Friedhof fertigten sie Schablonen, die den
Steinmetzen als Vorlage dienten.
- Zweimal
acht Tafeln vermitteln eine Vorstellung von den Personen,
die in den vorwiegend ländlichen Gemeinden im Umfeld
des Schwanbergs lebten, meist in der orthodoxen Tradition
ihres Glaubens. Einmal sind es Familienbiographien, die von armen
oder besser situierten Anfängen im 19. Jahrhundert
berichten, von dem Erreichen von Wohlstand und zunehmendem
Bildungsstand, von Verfolgung und Tod in Dachau oder den
späteren Vernichtungslagern, von Emigration und von den
Schicksalen in den USA oder Israel. Stets drängt sich die
Frage auf, was eigentlich so anders gewesen sein soll und denen,
die eine Propaganda als andersartig hingestellt hat - und
dies noch mit einem Erfolg unter der allgemeinen Bevölkerung,
der heute nicht gerne erinnert wird.
- Nicht
nur bei der Familie Fromm etwa wird dies bewußt, einer der
guten Weinhändleradressen Kitzingens. Max Fromm war es,
der die Tradition des Bocksbeutels als Markenzeichen des
Frankenweins wiederbelebt hat, zwei Söhne waren später
führende Vertreter des Weinhandels in den USA, ein
anderer Sohn Komponist.
- Ähnliche
Biographien erzählen die Tafeln neben den groß
abgebildeten acht Grabsteinen, mehr oder weniger gut
erhalten unterschiedlichen Stils doch alle stimmungsvoll aus
schwarzem Hintergrund leuchtend. Fünf davon bezeichnen
Frauengräber Diese Tafeln sind, scheint es dem Betrachter,
persönlicher als die der Familiengeschicke, obwohl auch sie
die Verbindungen zu den An gehörigen nicht ausblenden.
- Einen
Versuch, die Anonymisierung gelebten Lebens, diesen »zweiten
Tod«, aufzuhalten, nennen die Ausstellungsmacher ihr
Werk. Die Erinnerung ist keine deutsche Selbstanklage, sie ist
eine Verpflichtung, daß die Mordbrenner des Dritten Reichs
sich mit ihrem Auslöschungswahn nicht am Ende doch
durchsetzen dürfen.