Medieninformation 10/02 Würzburg, 2002-11-03

Polizeieinsätze statt Pädagogik?
Unterfränkische Polizei soll Schulschwänzer aufspüren

Durch Anweisung der Regierung von Unterfranken sind derzeit alle Grund- Haupt- und Förderschulen des Regierungsbezirks verpflichtet, die Zahlen der "notorischen Schulschwänzer" umgehend zu melden. Die Bezirksregierung möchte endlich die Linie des Bayerischen Innenministeriums durchsetzen, nach der Schulschwänzer flächendeckend von der Polizei aufgespürt und der Schule zugeführt werden sollen. Im dienstlichen Schreiben des bei der für die Schulen verantwortlichen Abteilungsdirektors Jürgen Röhling heißt es:

"Es ist höchste Zeit, sich in ganz Deutschland dieses Problems anzunehmen. ... In weiten Teilen der Bundesrepublik verhindern dagegen die Denkblockaden verbohrter linker Ideologen wie etwa der Bundesvorsitzenden der GEW leider immer noch das nötige Problembewusstsein und in dessen Folge ein flächendeckendes konsequentes Einschreiten."

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Unterfranken reagierte empört auf das Regierungsschreiben. "Wer dem sehr ernst zu nehmenden pädagogischen Problem des chronischen Schulschwänzens mit Polizeieinsätzen begegnet, hat den eigenen pädagogischen Anspruch aufgegeben," stellte der GEW- Bezirksvorsitzende Albrecht Sylla fest. Zudem sei sehr zu bezweifeln, dass die Polizei die Personalkapazität habe, um Schulschwänzern nachzujagen, wo schon Geschwindigkeitskontrollen von Privatunternehmen durchgeführt werden müssen. Für selbstverständlich hält es die GEW, dass die Polizei auf ihren Streifengängen vormittags herumstreunende Kinder aufgreift und sie den Eltern nach Hause bringt. Die Problematik der Dauerschulverweigerer verlange aber nach einer pädagogischen Lösung. Dabei seien neben Lehrern und Eltern insbesondere Sozialpädagogen und die Jugendhilfe gefordert. "Wenn in Unterfranken gerade mal eine Hand voll Schulen integrierte Schulsozialarbeit haben, verstehen wir nicht, warum Herr Röhling nach der Polizei ruft und nicht nach mehr Pädagoginnen und Pädagogen." Die "Aktion" von Innenministerium und Bezirksregierung bezeichnete Sylla als Populismus, der Ernsthaftigkeit vermissen lasse.

Als unerhört und der Sache gewiss auch nicht dienlich bezeichnet der stellvertretende Bezirksvorsitzende und GEW-Bezirkspersonalrat Rudolf Brandenstein den Vorgang. "Die Tatsache, dass eine an der Dienststelle im Personalrat vertretene Gewerkschaft in einem offiziellen Schreiben an Schulämter und Schulen herabgesetzt und beleidigt wird, ist ein Skandal." Herr Röhling müsse sich fragen lassen, ob er die Zusammenarbeit mit der GEW gedenke aufzukündigen. "Den Angriff auf die GEW-Vorsitzende Dr. Eva-Maria Stange empfinden wir als beleidigend und geeignet, den Dienstfrieden zu stören," so Sylla.