Sechsstufige Realschule und Notenschnitt verschärfen Leistungsdruck auf Schüler

Karin Pranghofer sieht Volksbegehren als einzige Möglichkeit Schulreform zu stoppen

Mömbris. In der von Wirtin Hedwig extra zu diesem Zweck geöffneten Gaststätte Schmitt trafen sich am Montagabend »leider nicht so viele Besucher wie man auf Grund der Brisanz des Themas hätte annehmen können«, bedauerte der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins, Franz Krebs, eingangs.

Als Referentin war die Landtagsabgeordnete Karin Pranghofer anwesend, die zur geplanten Schulreform der bayerischen Landesregierung sprach. Sie ist mittlerweile ein gutes Jahr im Landtag und im Bildungsausschuss tätig. Sie kann zum Thema außerdem ihre Erfahrungen als Lehrerin an einer Grundschule beisteuern. Ihrer Ansicht nach soll die Einführung der so genannten R6 »durchgeboxt werden«. Obwohl noch nicht abschließend über die Einführung der sechsstufigen Realschule beschlossen ist, werden bereits Standorte dafür eingerichtet.

Während die SPD mittels des geplanten Volksbegehrens zur »besseren Schulreform« das Volk entscheiden lassen möchte, will sich die CSU ­ so die Abgeordnete weiter ­ »irgendwo beweisen«. 2,2 Milliarden Mark sind für die Einführung der R6 vorgesehen, die den Kindern den Eintritt in die Realschule bereits nach der vierten und nicht wie bisher nach der sechsten Klasse ermöglicht. Karin Pranghofer sieht dabei allerdings einen zunehmenden Leistungsdruck für die Kinder in den Grundschulen, da ein verschärfter Notendurchschnitt bereits ab dem Schuljahr 2000/2001 für Stress sorgt (für Gymnasien 2,0 erforderlich, für Realschulen 2,33, nach Ermessen der Eltern 2,66). Als »Trostpflaster« für die Hauptschulen, so die Referentin weiter, hat man ab der siebten Klasse M-Klassen eingerichtet, die auf die Mittlere Reife vorbereiten. Der erzielte Abschluss ist »gleichartig, aber nicht gleichwertig, was auch immer das heißen mag«.

Allerdings sei es schwierig, entsprechend qualifizierte Mädchen und Jungen für die M-Klassen zu finden. Für sehr schwache Hauptschüler gibt es Praxisklassen, in denen schwierige Lerner unterstützt werden sollen. Aber welcher Lehrer, so die Landtagsabgeordnete, unterrichtet gerne so eine anstrengende Klasse?

Neben diesem »schnellen Strickmuster« bemängelte Pranghofer, dass nach der vierten Klasse eine Schulentscheidung gefällt werden muss, die berufsweisend sein kann. Übertrittsmöglichkeiten existieren zwar in Bayern, aber es gibt nur einen minimalen Prozentsatz der Schüler, die das Geforderte schaffen. Karin Pranghofer: »Die Grundschule wird zur Renn- und Teststrecke werden. Die Kinder werden pathologisiert. Schon heute gibt es Grundschüler, die im Unterricht mit Kopfschmerztabletten hantieren.« Profitieren würden hier nur die Nachhilfeangebote.

Breite Unterstützung

Weiter bemängelte Pranghofer, dass mit dem Geld, das für die Schulreform ausgegeben wird, keine Klasse kleiner und kein Lehrer mehr eingestellt werde. Das Ziel des Volksbegehrens »Die bessere Schulreform« ist es, die Kinder bis zur sechsten Klasse gemeinsam zu unterrichten und dann erst zum weiteren Schulweg Entscheidungen zu treffen. Das Volksbegehren, das auf Grund genügend gesammelter Unterschriften im März 2000 stattfinden wird, wird neben dem BLLV (Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband) auch vom BEV (Bayerischer Elternverband) sowie zahlreichen weiteren Organisationen wie dem DGB oder der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Bayern) unterstützt.

Von der GEW war Lehrer Reinhard Frankel anwesend, der aus eigener Erfahrung wusste, dass viele Kinder in der fünften und sechsten Klasse enorm zulegen, um dann locker einen Notendurchschnitt für die Realschule zu erlangen. Seiner Meinung nach wird die vierstufige Realschule von der sechsstufigen »aufgefressen«. Die Idee zur Schulreform kam aus den Gymnasien, die fast zur Regelschule geworden sind. Hier sollen in Zukunft Eliten gezüchtet werden. Die R6 wird zum Mini-Gymnasium werden. Deshalb sieht Frankel in Bayern keine Förderung der Kinder, sondern Selektion.

In der Diskussion fragten sich die Zuhörer, warum Kultusministerin Monika Hohlmeier ihre eigenen Kinder in einer Privatschule unterrichten lässt, wenn doch das bayerische Schulsystem so gut ist.

Befürchtungen aus dem Publikum gingen dahin, dass die Hauptschule zur »Restschule« wird. Selbst mit qualifizierendem Hauptschulabschluss werde Jugendliche in vielen Berufen nicht eingestellt. Teamarbeit und soziale Komponenten werden bei erhöhtem Leistungsdruck vernachlässigt, die Gruppe der Schüler, die ohne Schulabschluss bleibe, dürfte mit der Bildungsreform wachsen. Am Ende der Veranstaltung stellte Karin Pranghofer fest, dass dieses Problem politisch nicht mehr gelöst werden kann, da hier die Mehrheiten fehlen. Nur das Volksbegehren könne noch etwas bewegen.D.H.