Sueddeutsche Zeitung 16.2.1998:

Demonstration der „Aktion 25" vor dem Rathaus

„Das Schulchaos bedroht die Zukunft der Kinder"

Mehr als 2000 Eltern, Lehrer und Schüler protestierten

Von Elisabeth Höfl-Hielscher

Das war bestimmt die eindrucksvollste Demonstration seit langem. Wer am Samstagvormittag zufällig am Marienplatz unterwegs waren, konnte sich an die Zeit der ersten Studentenproteste erinnern, als diese noch spontan, friedlich und effektiv waren: Aus dem Stand schaffte es die unbekannte Weilheimer Elterninititiative „Aktion 25" mehr als 2000 Lehrer und Studenten, Eltern und Schüler aus dem ganzen Freistaat zum Protest gegen die Bildungspolitik der CSU zu mobilisieren. Alt und Jung, Männer, Frauen und Kinder hielten mit selten gewordener Einigkeit Fahnen und Transparente hoch: „Bildung ist Zukunft", „Wir fordern eine faire Bildungschance für unsere Kinder" und „Finger weg von Sozialstaat & Demokratie".

Mit dem Motto „25 sind genug" war die ideale Klassenstärke gemeint. Gefordert wurden mehr Lehrer („Kleine Klassen sind große Kiasse!") mehr Stunden gerade für Deutsch und Rechnen und generell die Rücknahme der Unterrichtskürzungen. Die Eltern ließen sich „die Auswirkungen einer verfehlten Sparpolitik nicht mehr gefallen" , erklärte der Hauptinitiator Armin Promberger von der „Aktion 25". Der Vater dreier Schulkinder hat organisatorische Erfahrungen als Hauptmann der Bundeswehr.

Ohne parteipolitische Bindungen und ohne starre Strukturen", so Promberger, will die Initiative erreichen, daß noch heuer nicht mehr als 29 Kinder in einer Klasse sitzen und daß bis zum Schuljahr 2001/2002 von 25 Kindern an geteilt werden muß. Die gestrichenen Stunden (auch die im Sport) sollen zurückgegeben, und an allen Schulen durch mobile Reserven massiver Unterrichtsausfall verhindert werden. Das ist auch eine alte Forderung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) angesichts von 4000 arbeitslosen Lehrern. Deshalb kam von ihr die Hauptunterstützung. Die Funktionäre des Bayerischen Philologenverbandes und des Lehrer- und Lehrerinnenverbandes dagegen hielten sich vornehm zurück. „BLLV-Präsident Dannhäuser hat sogar wieder abgesagt, davon sind wir „sehr enttäuscht", meinte GEW-Landesvorsitzender Georg Wiesmaier zur SZ. Grußworte schickten aber die Landtagsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, und die ÖDP war mit einer Fahne vertreten.

Auf ungeteilte Begeisterung stieß Promberger bei den Demonstranten. „Das Schulchaos bedroht die Zukunft unserer Kinder", doch das Kultusministerium wolle das einfach nicht wahrnehmen, auch nicht „die wachsende Wut" der Eltern. Am Schulstreiktag vom letzten Mittwoch hätten nachweislich 60000 Schüler und Lehrer teilgenommen. Das Ministerium habe daraus höhnisch „nur 3000 Teilnehmer" gemacht, die Staatsregierung mit Drohungen reagiert. „Doch wir lassen uns nicht mehr einschüchtern", rief Promberger.

Daß die Stimmung bis zuletzt friedlich blieb, lag auch an der fabelhaften Big-Band des Weilheimer Gymnasiums. Die Gruppe unter Leitung von Arthur Lehmann spielte zwischen den Reden mit solchem Schwung auf, daß selbst Polizistenfüße im Rhythmus mitzuckten.