Sueddeutsche Zeitung 12.2.1998:

Sparpolitik an Schulen treibt Eltern auf die Straße

Allein in Starnberg demonstrieren 5000 Bürger

Von unseren Korrespondenten

München - Die Region München und die Landeshauptstadt bildeten den Schwerpunkt der Schulstreiks und Proteste gegen große Klassen in Bayern, zu denen die Weilheimer Aktion 25 aufgerufen hat. 78 Schulen von Amorbach bis Würzburg meldeten bis gestern abend bei der „Zentrale" der Aktion 16000 Teilnehmer, die sich an den Kundgebungen, Sternmärschen, Lichterketten und Fackelmärschen oder Demonstrationen mit Trillerpfeifen, Ratschen und Rasseln beteiligt hatten. Nur an ganz wenigen Schulen hatten sich die Eltern dazu entschlossen, Warnstreiks zu organisieren.

„Die Leute haben Angst vor rechtlichen Maßnahmen", begründet Armin Promberger, Gründer der Aktion 25, die geringe Zahl der streikbereiten Eltern und Schüler. Bayerns Kultusminister Hans Zehetmair hatte angekündigt, daß Schulstreiks gesetzeswidrig seien. Wegen Streiks ausgefallener Unterricht müsse am Samstag, dem 4. April, nachgeholt werden. Die Aktion 25 will „jetzt alles daran setzen", aus der Landtagswahl im September eine „Bildungswahl" zu machen, sagte Promberger. Die Aktion 25 hat für den kommenden Samstag zu einer Großkundgebung auf dem Münchner Marienplatz aufgerufen.

„25 sind ein Muß"

Das Kultusministerium hatte gestern, keine Rückmeldungen über große Proteste an den Schulen außerhalb Münchens. Aber allein im Landkreis Starnberg haben 5000 Schüler und Eltern gegen die Bildungspolitik der Staatsregierung demonstriert. In Gilching versammelten sich 1200 Teilnehmer vor dem Gymnasium, und in Weßling wollten 400 die Bildungspolitik „baden gehen sehen". Mit Transparenten wie „Die Zukunft unserer Kinder liegt uns am Herzen" machten die Eltern ihrem Ärger Luft.

„25 sind ein Muß, sonst ist Unterricht Verdruß", sangen 25 Viertkläßler in der Peißenberger Glück-auf-Halle den etwa 1200 Eltern, Schülern und Lehrern vor die am gestrigen Elternprotesttag aus allen Peißenberger Schulen gekommen waren. Mit Transparenten kamen sie am Nachmittag in Sternmärschen zum Veranstaltungsort.

„Jetzt auch Massentierhaltung im Klassenzimmer", hieß es auf den Transparenten der über 600 Realschüler in Markt Indersdorf. Spontan hatte dort die Schülermitverwaltung als einzige Schule im Landkreis Dachau beschlossen, sich an dem bayernweiten Schulstreik zu beteiligen. In Garching und an fünf Schulen im Landkreis Ebersberg sind Eltern und Schüler gestern dem bayernweiten Streikaufruf der Aktion 25 gefolgt und haben für kleinere Klassen und die Einstellung zusätzlicher Junglehrer demonstriert.

Aktionen fanden am Gymnasium Grafing und in den Grund- und Hauptschulen in Glonn, Moosach, Alxing und Antholing statt. Rund 100 Schüler des Grafinger Gymnasiums versammelten sich am Morgen zu einer eher spontanen Aktion in der Aula der Schule. Mit Che-Guevara-Fahnen und Transparenten forderten die Gymnasiasten neben kleineren Klassen auch einen Stopp der Rechtschreibreform. An den Schulen des Landkreises Freising fanden sich am Nachmittag mehrere hundert Eltern und Schüler zu einer Protestkundgebung am Freisinger Marienplatz ein. Im Vorfeld der Kundgebung war es zu einem Eklat zwischen Eltembeiräten und Schulverwaltung gekommen. Die Regierung von Oberbayern verbat, eine Informationsbroschüre zu verteilen.

Zu einem spontanen Unterrichtsboykott kam es gestern vormittag am Würzburger Schönborn-Gymnasiun. In der Würzburger Innenstadt versammlten sich gestern abend über 1000 Schüler, Eltern und Lehrer zum Protest gegen die Staatsregierung. In ganz Unterfranken hatten Eltern und Vertreter der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bereits am Vormittag ihre Unzufriedenheit über das derzeitige Bildungswesen demonstriert.