Zu viel Bürokratie und zu wenige Lehrer


Würzburg (jes) Personalmangel, unzumutbare Arbeitsumstände für Lehrer, steigende Schülerzahlen, zu viel unnötige Bürokratie - "an Bayerns Schulen ist es bereits zehn Minuten nach zwölf", klagt Oberstudienrat der Fach- und Berufsoberschule (FOS, BOS) Schweinfurt, Walter Feineis. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte die Bayerischen Landtagsabgeordneten Simone Tolle (Bündnis 90/Die Grünen), Karin Pranghofer (SPD) und Berthold Rüth (CSU) zu einen Round Table Gespräch eingeladen. Im Bürgerspital ging es kürzlich um Probleme und Perspektiven von FOS und BOS sowie die mögliche Verstaatlichung kommunaler Schulen.

"Wir werden von Bürokratie erschlagen und haben für die eigentliche Tätigkeit, das Unterrichten, fast keine Zeit mehr", schildert Feineis das Grundproblem. 20 Prozent der Arbeitszeit gehe für Verwaltungsaufgaben drauf, die auch Sekretärinnen für ein Drittel eines Lehrergehalts machen könnten. "In den letzten Jahren hat sich die Schüleranzahl verdoppelt, das Verwaltungspersonal ist aber gleich geblieben", ereifert er sich, "das ist volkswirtschaftlich eine saudumme Rechnung. Die Lehrer sind zu teuer, um Verwaltungszeug zu bearbeiten." In Zukunft sollen deswegen, so Rüth, 300 Vollzeitkräfte in anderen Verwaltungen eingespart werden, um Lehrer an allen Schulen zu entlasten.
Ein Wort: Notstand

"Die Lage an FOS und BOS ist in Bayern gekennzeichnet durch das Wort: Notstand", sagt Simone Tolle. Es gäbe zu wenig Lehrer, die zudem unter unzumutbaren Arbeitszuständen unterrichten müssten. 47 Stellen wurden letztes Jahr für die FOS gestrichen; doch das gesparte Geld kam ihr nicht zugute, sondern stopfte Löcher an Realschulen und Gymnasien. "In Schweinfurt, Marktheidenfeld und Kitzingen fallen Pflichtfächer oft aus", beschreibt Rüth eine der Folgen des Personalmangels.

"Es gibt zurzeit einen enormen Schüleransturm um plus neun Prozent", sagt Rüth, "das ist eine große Herausforderung." 10 Prozent aller bayerischen Schüler haben eine Fachhochschulreife, 19 Prozent ein Abitur. "Dadurch bekommt die berufliche Bildung eine besondere Funktion. Umso dramatischer sind die steigenden Klassenstärken", so Karin Pranghofer. In den Leistungskursen am Gymnasium sitzen im Durchschnitt 14 Schüler, an den FOS und BOS etwa 30.

Außerdem kommen heute Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen an die FOS. Viele fanden keinen Ausbildungsplatz und gehen nur deswegen auf die Oberschule, obwohl sie eigentlich dafür nicht geeignet wären. "Früher kamen die Schüler von Realschule oder Gymnasium, heute haben sie Mittlere Reife oder ähnliche Abschlüsse", sagt Feineis, "das macht unser Leben sehr schwer." Etwa 80 Prozent aller M-10-Schüler fallen durch die Probezeit.

"Für die Zukunft wollen wir kein zerklüftetes Schulsystem. Es muss sozial gerecht sein und Vertrauen in die Talente von Schülern und Lehrern haben", fordert Tolle. Pranghofer möchte eine andere Form der BOS: das Berufsgymnasium, wie es im Modell schon in Baden-Württemberg existiert. So könnten formale Schranken des Systems überwunden werden und Schüler auf unterschiedlichen Bildungswegen die Berechtigung zum Besuch einer Hochschule bekommen. Rüth hält Intensivierungsstunden für sinnvoll: "Sie müssen her, schon an den Grundschulen, aber für BOS und FOS sind sie nicht absehbar."
"Verstaatlichung nicht absehbar"

Und dann ging es um die Verstaatlichung kommunaler Schulen, die den Gemeinden einfach zu teuer werden. Eine Alternative könnte sein: "Wir wollen die Schulfinanzierung umstellen", sagt Pranghofer, "private Schulen bekommen zu 90 Prozent ihre Personalkosten vom Staat ersetzt, öffentliche Schulen nur 60 Prozent." Eine Zwischenlösung könne sein alle Schulen gleich auf 90 Prozent zu setzten. Rüth: "Eine Verstaatlichung ist nicht absehbar." 

MAIN-POST 17.03.2005