Medieninformation 19/2003 Würzburg, 2003-06-15

GEW erinnert an pädagogische Kompetenz:
Dorfschullehrer als neues Lehrerleitbild nutzen

Auf einer Veranstaltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat Dr. Johannes Jung an die Qualitäten der Dorfschullehrer erinnert. Der in der Lehrerbildung an der Universität Würzburg tätige Wissenschaftler stellte die Geschichte der Dorfschule von der Idylle im 18. Jahrhundert, dem Bildungs-Mängel-Ort im 19. Jahrhundert und als anerkanntem Bildungsort mit hoher Selbstständigkeit des Lehrers im 20. Jahrhundert vor dem 2. Weltkrieg dar. Ihr Ende kam in den 60er Jahren mit der Bildung von Verbandsschulen.

Die Dorfschule forderte vom Lehrer die ganze Persönlichkeit, weniger das Fachwissen: "Rechnen kann der Schulmeister nicht, aber er ist ein prima Kerl." Außerdem stand er in großer emotionaler Nähe zu seinen Schützlingen und musste mit deren Verschiedenartigkeit pädagogisch umgehen. Dieses Selbstverständnis von Allzuständigkeit im überschaubaren Ganzen von Schule und Umfeld sei heute durch eine "Professionalisierung" ersetzt worden: Die Lehrkraft sieht sich in einem jederzeit aufkündbaren und freiwilligen Arbeitsverhältnis, das eine große Distanz zu Schule und Schülern beinhaltet.

"Wir wollen nicht die Dorfschule als Idyll wieder beleben, sondern ihre Möglichkeiten als erziehlichen und pädagogischen Raum in Erinnerung rufen," begründet Jörg Nellen, der Würzburger GEW-Kreisvorsitzende den Vorstoß, die Dorfschullehrer als Lehrerleitbild zu akzeptieren. Diese Möglichkeiten hingen in erster Linie vom Pädagogen selbst ab. Jede Lehrkraft könne morgen ihrer Klasse mit der positiven Haltung eines Dorfschulmeisters gegenübertreten: "Geben Sie - auch im gegliederten Schulsystem - die Fiktion von der Homogenität Ihrer Lerngruppe auf, akzeptieren Sie deren Verschiedenartigkeit." Diese spiegele die Verschiedenartigkeit der Gesellschaft wieder. Emotionale Nähe zu Schülerinnen und Schülern haben zu messbaren Leistungssteigerungen geführt. "Mögen Sie ihre Schüler, anstatt mit Tests zu messen, wer nicht in Ihre Klasse gehört." Wer den Dorfschullehrer in sich frei setze, mache gute Schule. Eine gute Schule muss schließlich auch von den Schulaufsichtsbehörden wahrgenommen und gefördert werden.