PISA II - wie zurück ins Lot?

Marianne Demmer, Leiterin des Vorstandsbereichs Schule beim Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begann ihre Informationsveranstaltung bei der GEW Aschaffenburg-Miltenberg zum Thema "PISA II - wie zurück ins Lot?" mit einer Beobachtung über Verdrängungsmechanismen von deutschen Kultusministern. "Nach der Bekanntgabe der ersten PISA-Studienergebnisse 2001 saß der Schock bei ihnen tief. Bei der Vorstellung der zweiten PISA-Studie im vergangenen Dezember ist dieser einer fast teilnahmslosen Gelassenheit gewichen. Und das obwohl Platz 16 unter 29 Teilnehmern am mathematischen Kompetenzvergleich immer noch kein Ruhmesblatt für das deutsche Bildungssystem darstellt." Marianne Demmer vermutet, dass die für die bundesdeutsche Bildung maßgeblich Verantwortlichen jetzt allein die Auswertung der bundesdeutschen Landesergebnisse im Sommer abwarten. "Dann werden sie sich wohl wieder die Rangskala der einzelnen Bundesländer gegenseitig um die Ohren hauen und für das Bildungssystem bleibt alles beim Alten."

Dabei zeigt die PISA II-Studie deutlich auf: Die Ungerechtigkeit an Deutschlands Schulen nimmt weiter zu. Zwar haben Schüler vor allem an Gymnasien in Mathematik etwas bessere Ergebnisse erzielt. Schwächere Schüler sind jedoch auf dem niedrigen Leistungsniveau geblieben. Es sei ein offenes Geheimnis, dass gerade an Gymnasien für den PISA-Test fleißig trainiert und wohl auch verschärft ausgesiebt worden ist, erklärte Demmer die Leistungszuwächse in der Spitze. Trotzdem hätten deutsche Schüler gegenüber den Spitzenländern über ein Schuljahr Leistungsrückstand. Auch die Gruppe auf der höchsten Kompetenzstufe liege nur im OECD-Durchschnitt. "Unser gegliedertes Schulsystem führt am unteren Ende ins Elend und am oberen ins Mittelmaß. Es wird Zeit, den Umbau des Schulsystems in Angriff zu nehmen", sagte Demmer. "Deutschland braucht für seine Entwicklung alle jungen Menschen und zwar auf dem bestmöglichen Bildungsniveau. Das weitere Verschleudern von ,Begabungsreserven' ist hochgradig dumm und unverantwortlich."

Als Sofortmaßnahme machte sich die GEW-Schulexpertin für ein Sprachförderprogramm für Schüler aus sozial schwächeren Elternhäusern und Kindern aus Einwandererfamilien stark. Insbesondere Schüler an Hauptschulen und in der Sekundarstufe I müssten unterstützt werden. Die Gewerkschafterin mahnte den schrittweisen Umbau des gegliederten deutschen Schulwesens an. "In fast keinem anderen OECD-Land ist der Schulerfolg der Kinder so stark vom sozialen Status der Eltern abhängig wie in Deutschland. Hier verstärkt Schule die sozialen Nachteile sogar noch." Demmer unterstrich in der Begründung ihres Vorstoßes, der neuerliche PISA-Sieger Finnland zeige doch gerade, dass man auch ohne die Zergliederung des Schulsystems, ohne Sitzenbleiben und ohne frühe Notenauslese Spitzenleistungen im internationalen Vergleich erreichen kann.

Reinhard Frankl, Kreisvorsitzender der GEW Aschaffenburg-Miltenberg, kritisierte besonders die bayerische Bildungspolitik. Aktuelle Zahlen belegten, dass für bayerische Kinder aus Oberschichtfamilien die Chance ein Gymnasium zu besuchen sechs bzw. zehnmal so groß ist wie für Kinder aus Facharbeiterfamilien. "Von allen Bundesländern ist das soziale Gefälle der Bildungsbeteiligung in Bayern am ausgeprägtesten. Daran werden aber sicher auch neue Zeugnisformulare, die am kommenden Freitag für bayerische Schülerinnen und Schüler teilweise schon verwendet werden, nichts ändern."