MAIN-ECHO v. 13.7.97

Hochqualifizierte junge Lehrer arbeitslos GEW warnt: »Die Zeche zahlen die Eltern«

4200 arbeitslose Lehrer trotz überalterter Kollegien und steigender Schülerzahlen

Aschaffenburg. Bewerberinnen und Bewerber für das Lehramt an Grundschulen werden für den neuen Schuljahresbeginn 1997/98 nur bis zur Prüfungsnote 1,69 übernommen. »Hochmotivierte, teuer und bestens qualifizierte junge Lehrkräfte werden in die Arbeitslosigkeit entlassen, obwohl sie an den Schulen einerseits wegen der steigenden Schülerzahlen und andererseits wegen der immer dramatischeren Überalterung der Kollegien dringend gebraucht werden«, kommentiert Reinhard Frankl, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Aschaffenburg. Gerade mal ein gutes Drittel der Bewerber für die Grundschule werde beschäftigt.

Zum ersten Mal seit vielen Jahren gebe es wieder einen Numerus clausus für Anwärter des Lehramtes an Hauptschulen. Hier wurde die Schwelle für die Übernahme in das Beamtenverhältnis ohne Verzögerung auf 2,07 gesetzt. »An diesen Taten läßt sich einmal mehr messen, was Versprechungen der Regierungspolitiker bedeuten. Wollten Ministerspräsident und Kultusminister nicht die Hauptschule besonders fördern? Gerade hier, wo die Unterrichts- und Erziehungsbedingungen immer schwieriger werden, wäre es dringend erforderlich, die Rahmenbedingungen durch zusätzliche Einstellungen zu verbessern«, so Frankl.

Beinahe aussichtslos sei die Situation der jungen Kollegen, die ihre Prüfung für das Lehramt an Realschulen oder Gymnasien abgeschlossen haben. Nur fünf Prozent der Bewerber für die Realschule erhielten einen vollen Vertrag. Von insgesamt 6883 Bewerbern für alle Schularten werden nur 2640 eingestellt, davon 900 mit befristeten Verträgen, zum Teil auf Zweidrittelbasis. Innerhalb eines Jahres steige die Zahl der arbeitslosen Lehrer somit um das Doppelte. Über 4200 befänden sich nun auf der Warteliste.

Frankl ruft die Eltern zum politischen Handeln auf: »Wer glaubt, dies sei das Problem der kleinen Gruppe von Lehrern im Staat, der hat sich getäuscht. Mit dieser unverantwortlichen Einstellpolitik fährt die bayerische Staatsregierung unseren bisherigen Bildungsstandard und somit das Startkapital unserer Kinder an die Wand.« Den Verweis des Kultusministers auf die Lage in den anderen Ländern und seinen »Ausdruck des Bedauerns« hält Frankl »für blanken Zynismus und nichts anderes als einen Offenbarungseid der CSU-Bildungspolitiker«.

Die GEW habe dagegen mit ihrem Teilzeit-Modell bewiesen, daß man sogar bei der derzeitigen Finanzlage ältere Lehrkräfte entlasten und gleichzeitig junge einstellen könne. Es fehle allein am politischen Willen der Parteien. Deshalb sei endlich eine breite entschlossene Kampagne der großen betroffenen Wählergruppe der Eltern vonnöten, die vorerst die Zeche in Form von teurem Nachhilfeunterricht, verlängerter Ausbildungszeiten oder gar einer jahrelangen Unterstützung ihrer arbeitslosen Kinder zu zahlen haben.