Pressemitteilung 03/97 v. 17.3.97

Mit einer aktuellen Information zum Schulversuch der sechsstufigen Realschule beschäftigten sich die Mitglieder des Kreisverbands Aschaffenburg der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) auf ihrer letzten Mitgliederversammlung. Eine Grundschule hatte von einer an dem Schulversuch teilnehmenden Realschule die Mitteilung erhalten: "Auf Wunsch und Anordnung der zuständigen Stellen im Kultusministerium sollen die am Schulversuch beteiligten Schulen die Aufnahme von Schülern in die vierstufige Realschule zum nächstmöglichen Termin einstellen ... Ab 1999 werden Schülerinnen nur noch in die 5. Klasse aufgenommen."

also doch: flächendeckend sechsstufige Realschule noch vor Auswertung des Schulversuchs!

Den erheblichen Bedenken aus weiten Kreisen der Eltern- und Lehrerschaft, die bereits von Beginn des Schulversuchs an bestanden, war vom Kultusmini-sterium bisher entgegengehalten worden, daß es sich bei der sechststufigen Realschule lediglich um ein vorläufiges Versuchsprojekt handle. Eine Entscheidung über die mögliche bayernweite Einführung dieser Schulform solle erst nach gründlicher Auswertung der Erkenntnisse aus dem Versuch und nicht vor 1999 erfolgen. In dem vorliegenden Schreiben wird nun klar ausgesprochen, daß das Kultusministerium überhaupt nicht mehr die Versuchsergebnisse abwarten oder sich mit den Argumenten gegen die sechsstufige Realschule befassen will. "Damit hält es sich nicht einmal mehr an die eigenen Vorgaben, die Kosten für die wissenschaftliche Begleitung waren reine Vergeudung öffentlicher Mittel, und die Illusionen der Eltern sind endgültig zerschlagen, die glaubten, bei dem Schulversuch handele es sich um ein zusätzliches Bildungsangebot der bayerischen Staatsregierung", stellte Frankl fest. Für ihn paßt dieser Schulversuch weder ökonomisch noch pädagogosch in die bildungspolitische Landschaft. Auf die Schulträger kommen kaum kalkulierbare Großinvestitonen zu, nur um den ohnehin verfrühten Zeitpunkt der Auslese in Bayern generell zu zementieren. "Die von der CSU bisher vielgepriesene und von Kritikern des bayerischen Schulsystems als 'einzigen Lichtblick' gesehene Möglichkeit eines Übertritts nach der sechsten Klasse ist damit abgeschafft. Der Leistungsdruck für das 'Grundschulabitur' steigt jetzt immens."

erneut Unterrichtskürzung in der Grundschule

In diesem Zusammenhang ganz und gar unverständlich erschienen den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern der Entwurf zur neuen Volksschulordnung, aus dem hervorgeht, daß die Stundentafel der Grundschule bei gleichbleibender Stoffülle um eine weitere Stunde gekürzt werden soll.

Unterrichtswochenstunden in der Grundschule

Seit 1990 wurden in der Grundschule insgesamt bereits sieben Stunden Unterricht gekürzt. Für Frankl bedeutet das: 296 Unterrichtsstunden weniger für die Vorbereitung auf das "Grundschulabitur" und 1464 Planstellen weniger angesichts der arbeitslosen Kolleginnen und Kollegen auf der Straße. Die Grundschule kann so immer weniger ihrer Aufgabe gerecht werden, alle Kinder zu fördern. Sie verkommt immer mehr zur Auslese-Schule. Die GEW fordert die Rücknahme der Stundentafelkürzung.

Vorrücken gefährdet!

Auch die Vorschrift, nach der ein Hauptschüler in die nächste Jahrgangsstufe Vorrücken darf, soll im kommenden Schuljahr verschärft werden. Die derzeit gültige Regel, die erst mit diesem Schuljahr in Kraft trat, besagt, daß ein Schüler mehr als drei "Fünfen" und einen Notendurchschnitt von schlechter als 4,0 (ohne Sport) haben muß, um "durchzufallen". Dieses Und soll jetzt durch ein Oder ersetzt werden.Frankl faßte die neuen Informationen aus dem Kultusministerium wie folgt zu-sammen: "Die Situation für Schülerinnen, Schüler und ihre Eltern spitzt sich damit immer weiter zu: erhöhter Leistungsdruck bei schlechteren Lern- und Arbeitsbedingungen, geringere Durchlässigkeit und schärfere Auslese verstärken zusammen mit der fast aussichtslosen Lage auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt den psychischen und materiellen Druck auf die Familien. Im Interesse Aller brauchen wir nicht eine auf frühzeitige Auslese ausgerichtete und kürzere, sondern eine längere gemeinsame Schulzeit. Sie soll Raum und endlich wieder Zeit für soziale Lernprozesse und umfassende, individuelle Förderung bieten."