Grüne: Eine Schule für alle

Landtagsfraktion stellt Studie zur Bildungsarmut vor
Aschaffenburg. In keinem anderen Bundesland hängt der Schulabschluss so sehr von der sozialen Stellung der Eltern ab wie in Bayern. Das hat die »Studie zur Bildungsarmut in Bayern« erhärtet, die von der Landtagsfraktion der Grünen in Auftrag gegeben worden war. Am Donnerstag wurde sie in der Aschaffenburger Stadthalle und am Freitag in Würzburg vorgestellt.

Dr. Frithjof Zerger von Research & Consulting München, Prof. Dr. Thomas Hinz von der Uni Konstanz und Jochen Groß von der Uni München hatten die Studie im November 2004 auf der Grundlage von bereits vorhandenem Material, unter anderem aus dem Statistischen Landesamt und den einzelnen Regionalämtern, erarbeitet. »Bildungsarmut« bedeutet laut Zerger de facto »das Verpassen des Hauptschulabschlusses«. 2003 habe die Quote 8,7 Prozent betragen.

Die Untersuchung setze, zumindest für den Teilaspekt Bildung, den Sozialbericht 1997/1998 der bayerischen Landesregierung fort, sagte Thomas Mütze, der haushaltspolitische Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag, vor knapp 20 Gästen, zum Großteil organisierten Lehrkräften und Elternvertretern. Der Landtag habe ursprünglich eine Fortschreibung beschlossen, sie dann aber Unions-mehrheitlich aus Kostengründen fallengelassen.

Niemand gebe gern öffentlich Armut zu, schon gar nicht die Staatsregierung, meinte der Grünenpolitiker. Diese verschließe die Augen vor der Realität, dass nämlich in Bayern ein enger Zusammenhang zwischen Armut und - verpasster - Bildung bestehe, besonders unter Jugendlichen mit Migrationshintergrund (Zuwanderern aus nicht deutschsprachigen Ländern).

Einer Grafik in dem über 80 Seiten langen Werk lässt sich entnehmen, dass die Zahl der jugendlichen Schulentlassenen aus allgemein bildenden Schulen ohne Abschluss unter den in Bayern lebenden Ausländern besonders hoch ist. Bei den Jungen bewegt er sich um die 30 Prozent, bei den Mädchen um die 20 Prozent, während der Anteil der bildungsarmen deutschen Mädchen sich um die Fünf- und jener der deutschen Jungen um die Zehnprozentmarke bewegt. Besonders in den Großstädten seien die Zahlen erschreckend, sagte Zerger. Hier müsse unbedingt gegengesteuert werden.

»Klasse statt Masse«

Weiterer Negativrekord: Mit 32 Prozent sei der Anteil der Hauptschüler in Bayern der höchste in Deutschland, gefolgt von Baden-Württemberg mit 25 Prozent. »Man setzt auf Klasse statt auf Masse«, mutmaßte Mütze und kritisierte das bayerische Elite-Denken. Seiner Meinung nach ist das streng aussiebende dreigliedrige Schulsystem das Überbleibsel eines längst überholten Schichtendenkens: Hauptschule für die Arbeiter, Realschule für die Verwaltung, Gymnasium für den »Oberbau« und die Regierenden.

»Wir müssen uns fragen, ob wir das wirklich wollen«, sagte Mütze. Seine Landtagsfraktion jedenfalls fordere »eine Schule für alle bis zur neunten Klasse als flächendeckendes Ganztagsangebot«. Die universitäre Ausbildung von Erzieherinnen ist eine weitere Forderung der bayerischen Grünen, die ihrerseits das neue Kindertagsstättengesetz vehement ablehnen.

Der Bessenbacher Hauptschullehrer Reinhard Frankl von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte in der Diskussion, das dreigliedrige bayerische Schulsystem sei nicht mehr reformfähig. Wider besseres Wissen werde an dieser Ideologie festgehalten. Bayern sei bereits, bislang ohne Reaktion, aufgefordert worden, seine Bildungsausgaben dem OECD-Standard anzupassen. mel

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Die vollständige Fassung der Studie von Groß, Hinz, Zerger