Ein reiches, arm gemachtes Land

Seit 25 Jahren wird in Aschaffenburg die Solidarität mit Nicaragua gepflegt

Aschaffenburg. Seit einem Vierteljahrhundert unterstützen Menschen aus Aschaffenburg und Umgebung Hilfsprojekte in dem mittelamerikanischen Land Nicaragua. Das wurde am Donnerstagabend im Café »Schwarzer Riese« gefeiert. Zu Gast waren neben Mitgliedern und Freunden des 1985 gegründeten Nicaragua-Komitees auch zwei Funktionäre der nicaraguanischen Lehrergewerkschaft ANDEN.

José Antonio Zepeda Lopez ist Generalsekretär. Francisco Salazar, der Vorsitzende im Bezirk Boaco, ist zuständig für die Jugendarbeit im Landesvorstand. Im Gespräch mit dem Main-Echo schilderten sie die derzeitige Lage ihres 5,4 Millionen Einwohner zählenden Landes, das zu den ärmsten Nationen der westlichen Hemisphäre gehört.

Albrecht Sylla, der Vorsitzende des Aschaffenburger Nicaragua-Komitees, und Gründungsmitglied Wolfgang Buckwar zogen dabei Bilanz der bisherigen Arbeit, die 1980 mit der Bildung eines Aktionskreises und der Kooperation mit der Dietzenbacher Gruppe Marimbó begonnen hatte. Rund 160000 Euro Spenden hat Kassier Buckwar seitdem verzeichnet. Mit dem Geld wurden unter anderem Mitte der 80er Jahre zwei Schulen in Masaya gebaut. Die landwirtschaftliche Kooperative in Diriomito bekam einen Lastwagen. In Diriamba wurde eine Niembaum-Schule angelegt.

Hilfe nach Wirbelstürmen und Dürre, die Operation einer von ihrem Mann mit der Machete verstümmelten Gewerkschaftlerin sind nur einige Beispiele für Sofortaktionen der Aschaffenburger. Seit 1992 finanziert das Komitee gemeinsam mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), in der Sylla Mitglied ist, eine Kindertagesstätte in Juigalpa. Rund 30 Vorschulkinder werden dort betreut und mit Essen versorgt.

Ein Viertel aller nicaraguanischen Kinder im schulpflichtigen Alter - insgesamt 825000 - besuchen derzeit keinen Unterricht, legte Zepeda Lopez dar. Es fehlten 3000 Schulen und 15000 Lehrerstellen. Zudem könnten viele Eltern das Schulgeld nicht aufbringen, oder die Kinder müssten daheim mitarbeiten.

»Die Regierung kommt ihren Verpflichtungen nicht nach«, kritisiert der Gewerkschafter. Zwar habe sie sich im Vertrag von Dakar verpflichtet, bis 2015 allen Kindern eine Schulbildung zu ermöglichen und den Analphabetismus - er lieg bei 35 Prozent der über 16-Jährigen - zu beenden. Doch die bisherigen Anstrengungen reichten dafür nicht aus.

Deswegen habe ANDEN mit der Sandinistischen Jugend und mit Geld aus Kuba und Venezuela einen »zweiten Kreuzzug gegen den Analphabetismus« gestartet. Mit dem der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN zur Verfügung gestellten Betrag sollen 5000 Fernsehgeräte und DVD-Spieler angeschafft werden, mit denen im Schneeballsystem den Bürgern Lesen und Schreiben beigebracht werden soll. Bis 2009 solle der »Kreuzzug« abgeschlossen sein.

Das Aschaffenburger Nicaragua-Komitee will sich mit Spenden beteiligen. Dass die einst an die 40 Mitglieder starke Gruppe heute nur noch fünf Leute zählt, lässt den Vorsitzenden nicht an der Wirkungskraft zweifeln: »Wir sind der Kern und haben viele Sympathisanten.«

Das Misstrauen gegen Nicaraguas Regierung sitzt bei den ANDEN-Repräsentanten tief. Keine der sich abwechselnden Regierungen habe »eine Politik für das Land gemacht«, sondern immer nur im eigenen Interesse, sagt Zepeda Lopez. Eigentlich sei Nicaragua ein reiches Land, reich an Bodenschätzen und sehr fruchtbar. »Doch wir werden arm gemacht.« Statt selbstbewusst eigene Konzepte durchzusetzen, lasse sich die Regierung vom Internationalen Weltwährungsfonds dirigieren.

Als »querendones«, als liebende Menschen, beschreibt Zepeda Lopez seine Landsleute und betont im gleichen Atemzug, die von Aschaffenburg aus unterstützten Projekte seien »politische Arbeit«. Sie trügen dazu bei, demokratische Strukturen und Möglichkeiten für Selbstbestimmung von der Basis aus aufzubauen. Viele junge Freiwillige aus Deutschland hätten bei dieser Arbeit mitgeholfen, sagt Salazar. »Und alle haben einen Teil ihres Herzens in Nicaragua gelassen.«
Melanie Pollinger

Kontakt: asylla@t-online.de.
Spendenkonto: Volksbank Dreieich, Kontonummer 55 77 73, BLZ 505 922 00, Stichwort
»ANDEN Juigalpa«.