»Der Unterricht leidet«

GEW: Chaotische Situation an Berufsoberschulen

Würzburg. »Chaotisch« sei die Situation an den Fach- und Berufsoberschulen (FOS/BOS), klagten Mitglieder der Lehrergewerkschaft GEW beim »Round Table Gespräch« mit heimischen Bildungspolitikern in Würzburg. Kritikpunkte unter anderem: längere Arbeitszeit, immer mehr Verwaltungsaufgaben für Lehrer.

Einen schweren Stand hatte beim Gespräch mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der Abgeordnete Berthold Rüth aus Eschau (Kreis Miltenberg) als Vertreter der CSU-Landtagsmehrheit. Seine Feststellung, in vielen unterfränkischen Fach- und Berufsoberschulen, darunter auch die in Aschaffenburg und Obernburg, falle kein Pflichtunterricht aus, stieß auf Widerspruch.

Allein in der Woche vor den Osterferien seien an seiner Schule 48 Vertretungsstunden in Haupt- und Nebenfächern angefallen, sagte Leif Mirring, Englischlehrer an der Aschaffenburger FOS/BOS. »Lediglich 20 davon konnten gehalten werden.« Von den 51 Lehrkräften an FOS und BOS seien nämlich nur etwa die Hälfte Vollzeitlehrer. Wer nur wenige Stunden Religion oder Musik unterrichte, könne kaum zur Vertretung herangezogen werden. »Dies bringt uns an unsere Leistungsgrenze.«

Schüleransturm

Dem Schüleransturm würden die Aschaffenburger Schulen schon lange nicht mehr Herr. Die Zahl der Aufnahmeanträge für FOS oder BOS sei von 450 im Jahr 2001 auf über 780 im vorigen Jahr gestiegen. Immer häufiger, so Mirring, entschieden sich junge Leute, die keinen Ausbildungsplatz finden, für eine schulische Höherqualifikation. Nicht jedem könne dieser Wunsch erfüllt werden. Eine an der Aschaffenburger BOS geplante Technik- und Wirtschaftsklasse sei von der Regierung abgelehnt worden. Weil, so Mirring, Mischklassen teurer als reine Technikklassen seien. Man habe die Interessenten nach Würzburg verwiesen.

Mehr und schwierigere Schüler, längere Arbeitszeit, immer mehr Verwaltungsaufgaben: Darunter leide die Unterrichtsqualität, so Mirring. Schaden nehme auch das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern. Enttäuschend sei, dass sich die Staatsregierung angesichts dieser »chaotischen Situation« lediglich auf den Zwang zum Sparen berufe.

Bald Förderunterricht?

Einig war sich Berthold Rüth mit den GEW-Vertretern, dass wegen der steigenden Zahl von problembeladenen Schülern auch in beruflichen Schulen individueller Förderunterricht nötig wäre. Das sei jedoch in absehbarer Zeit aus finanziellen Gründen nicht möglich. Immerhin, so Rüth, seien Intensivierungsstunden am G8 eingeführt worden, vermutlich folge bald individueller Förderunterricht in Grundschulen.

Keine Hoffnung machte der CSU-Politiker den GEW-Mitgliedern, dass esbald zur Verstaatlichung der kommunalen Berufsschulen in Unterfranken komme. Die Aschaffenburger SPD-Landtagsabgeordnete Karin Pranghofer appellierte deshalb an den Freistaat, die Personalkosten dieser Schulen zu 90 Prozent zu bezuschussen. Unterstütze der Staat die Schulen nicht, trage er - wie im Falle der Würzburger Berufsfachschule für Hauswirtschaft - zur Vernichtung von Ausbildungsplätzen bei. Die Kommunen seien finanziell nicht mehr in der Lage, neue Eingangsklassen einzurichten.
pat


MAIN-ECHO  29.03.2005