»Das soziale Gefälle ist alarmierend«

Schorsch Wiesmaier zur Bildungssituation in Bayern

Aschaffenburg. Mit großem Stolz registrierte vor zwei Jahren die bayerische Regierung, dass Bayern im bundesdeutschen PISA-Vergleich den ersten Platz belegen konnte. Welche Bedeutung dies in der aktuellen bayerischen Bildungswirklichkeit hat, war das Thema einer Veranstaltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Kreisverband Aschaffenburg-Miltenberg, mit dem GEW-Landesvorsitzenden Schorsch Wiesmaier in Aschaffenburg.

»Wird der bundesdeutsche Klassenprimus im internationalen Vergleich eingeordnet«, so Wiesmaier, »dann steht er gar nicht mehr so strahlend da. Bayern rangiert hier auf den Plätzen 11 bis 13 von 31 Vergleichsstaaten und erreicht damit gerade einen respektablen mittleren Platz im OECD-Durchschnitt.«

Allerdings führe Bayern bei den sozialen Ungleichheiten die Liste an. Die Studie belege, dass für bayerische Kinder aus Oberschichtfamilien die Chance, ein Gymnasium zu besuchen, acht- bis zehnmal so groß sei wie für Kinder aus Facharbeiterfamilien.

»Das soziale Gefälle der Bildungsbeteiligung in Bayern ist alarmierend und am ausgeprägtesten in allen Bundesländern. Besonders benachteiligt sind Kinder aus Einwandererfamilien«, sagte Wiesmaier. Von sozialer Gleichheit und einem offenen Zugang zu allen schulischen Bildungseinrichtungen könne nicht die Rede sein.

Unverständnis äußerte Wiesmaier darüber, dass das bayerische Kultusministerium die Erkenntnisse und Kritikpunkte der PISA-Studie im Schulbereich völlig ignoriere. Nach wie vor seien die Probleme bei der Integration von Kindern, deren Eltern im Ausland geboren sind, ungelöst. Das Schulsystem sei weiterhin fast nur nach unten durchlässig. Nur 18,9 Prozent eines Jahrgangs erreichten 2003 in Bayern die Fachhochschul- und Hochschulreife, im Bundesdurchschnitt seien dies dagegen fast 40 Prozent.

Regional bezogene Statistiken, die Wiesmaier den Besuchern der Veranstaltung vorstellte, sorgten für rege Diskussion. Auffallend schwach war die Platzierung des Regierungsbezirks Unterfranken bei der Quote der Abiturienten (mit nur 17,5 Prozent fünfter von sieben) und der Fachhochschulreife (sechster von sieben).

Auch beim Anteil der Hauptschulabgänger schnitten die Stadt Aschaffenburg mit 6,6 Prozent und der Landkreis Miltenberg mit 6,1 Prozent deutlich schlechter ab als der bayerische Landesdurchschnitt von 4,0 Prozent. Hier hebt sich immerhin der Landkreis Aschaffenburg mit 3,3 Prozent positiv ab.

»Die Aufgabe der Kultusministerin muss es sein, das Schulsystem gerecht, an den Kindern orientiert und auf die Anforderungen der Zukunft ausgerichtet zu gestalten. Diesen Anspruch hat sie deutlich verfehlt«, meinte Wiesmaier. red