MAIN-ECHO 5.11.02

GEW: Statt Polizeieinsatz mehr Schulsozialarbeit

Gewerkschaft kritisiert Anweisung der Bezirksregierung

Würzburg. Nach einer Anweisung der Regierung von Unterfranken sind derzeit alle Grund-, Haupt- und Förderschulen des Regierungsbezirks verpflichtet, die Zahlen der »notorischen Schulschwänzer« umgehend an die Regierung von Unterfranken zu
melden. Die Bezirksregierung wolle offenbar die Linie des bayerischen Innenministeriums durchsetzen, nach der Schulschwänzer flächendeckend von der Polizei aufgespürt und in die Schule zurückgebracht werden sollen, kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für Unterfranken in einer Pressemitteilung.

Im dem dienstlichen Schreiben des bei der Regierung von Unterfranken für die Schulen verantwortlichen Abteilungsdirektors Jürgen Röhling heißt es dazu: »Es ist höchste Zeit, sich in ganz Deutschland dieses Problems anzunehmen. ? In weiten Teilen der Bundesrepublik verhindern dagegen die Denkblockaden verbohrter linker Ideologen - wie etwa der Bundesvorsitzenden der GEW - leider immer noch das nötige Problembewusstsein und in dessen Folge ein flächendeckendes konsequentes Einschreiten.«

Die GEW Unterfranken reagierte empört auf das Regierungsschreiben. »Wer dem sehr ernst zu nehmenden pädagogischen Problem des chronischen Schulschwänzens mit Polizeieinsätzen begegnet, hat den eigenen pädagogischen Anspruch aufgegeben«, stellte der GEW-Bezirksvorsitzende Albrecht Sylla (Aschaffenburg) fest. Zudem sei sehr zu bezweifeln, dass die Polizei die Personalkapazität habe, um Schulschwänzern nachzujagen.

Für selbstverständlich hält es die GEW, dass die Polizei auf ihren Streifengängen vormittags herumstreunende Kinder aufgreift und sie den Eltern nach Hause bringt. Die Problematik der Dauerschulverweigerer verlange aber nach einer pädagogischen Lösung.

Dabei seien neben Lehrern und Eltern insbesondere Sozialpädagogen und die Jugendhilfe gefordert. »Wenn in Unterfranken gerade mal eine Hand voll Schulen integrierte Schulsozialarbeit haben, verstehen wir nicht, warum Herr Röhling nach der Polizei ruft und nicht nach mehr Pädagoginnen und Pädagogen«, erklärte Albrecht Sylla.

Als »unerhört und der Sache nicht dienlich« hat der stellvertretende Bezirksvorsitzende und GEW-Bezirkspersonalrat Rudolf Brandenstein (Ochsenfurt) die Kritik Röhlings an der GEW bezeichnet. »Die Tatsache, dass eine im Personalrat der Regierung von Unterfranken vertretene Gewerkschaft in einem offiziellen Schreiben an Schulämter und Schulen herabgesetzt und beleidigt wird, ist ein Skandal.« Jürgen Röhling müsse sich fragen lassen, ob er die Zusammenarbeit mit der GEW aufzukündigen gedenke.