Die Nachteile der frühen Auslese

»Führt zu schlechten Abschneiden« – GEW fordert: »Schule für alle«

Würzburg. Auslese ist im deutschen Bildungssystem wichtiger als Förderung – diese Kritik übte Georg Wiesmaier, der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bayern, während einer Feier anlässlich der Gründung der bayerischen Bildungsgewerkschaft vor 50 Jahren. Wiesmaier machte in Würzburg das deutsche »Selektionssystem« mit seinen Schulstrukturen verantwortlich dafür, dass deutsche Schüler bei der Pisa-Studie äußerst schlechte Leistungen erzielten.

Während andere untersuchte Länder »Weltmeister im Fördern« ihrer Schüler seien, sei Deutschland »Weltmeister im Auslesen«, konstatierte der Landesvorsitzende. Insbesondere Schüler aus materiell schlecht gestellten Familien sowie aus Migrantenfamilien hätten im deutschen Schulsystem geringe Chancen auf Förderung. Wie aus der Pisa-Untersuchung hervorgehe, weisen deutsche Schüler eine schwache Gesamtleistung sowohl beim Lesen als auch bei der mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundbildung auf.

Beim Lesen waren sowohl die schwächsten als auch die besten Schüler unter dem Durchschnitt der Schüler anderer Länder. Es sei auffällig, dass diejenigen Nationen, in denen die Schüler bei den Tests erfolgreich waren, integrative »Schulen für alle Kinder« mit einer langen gemeinsamen Schulzeit haben, oft bis zum 15. Lebensjahr. In Finnland können Schüler nach den Worten des Gewerkschaftssekretärs sogar bis zum 16. Lebensjahr gemeinsam in die Schule gehen.

Dies zeigt nach Ansicht des Gewerkschafters, dass eine breite Beteiligung von Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Begabung an Bildungsgängen, die zu einem höheren Schulabschluss führen, nicht mit einem hohen Leistungsniveau bei den Schülern im Widerspruch stehen müsse.

Die »Theorie der möglichst frühen Auslese«, nach der sich die Schulwege der Kinder schon im Alter von zehn Jahren im gegliederten deutschen Schulwesen aufsplittern, werde durch die Pisa-Untersuchung als »ausgemachter Unsinn« ad absurdum geführt. Eine »Schule für alle« auch in Deutschland einzuführen, ist Wiesmaier zufolge die zentrale Konsequenz aus den Resultaten der Pisa-Studie.

Nicht vorwärts gekommen sei die Gewerkschaft dagegen mit ihrem Ziel, eine Gleichbehandlung aller Lehrkräfte unterschiedlicher Schularten herzustellen. Nach wie vor müssen Lehrer um so mehr Unterrichtsstunden leisten, je jünger die von ihnen unterrichteten Schüler sind. Auch werden Volksschullehrer noch immer schlechter bezahlt als Gymnasiallehrkräfte, kritisierte der Gewerkschafter. pat