Schadstoff PCB verursacht Lernstörungen und Gewalt

Gewerkschaft: Chemikalie auch in neuen Gebäuden

Würzburg. . Mehrere hessische Schüler, die ihren Hauptschulabschluss nicht geschafft haben, wurden einer Untersuchung im bayerischen Nachbarland zufolge in Schulhäusern unterrichtet, die mit Polychlorierten Biphenylen (PCB) belastet waren. Dies erklärte der Schadstoffbeauftragte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Hessen, Jürgen Jäger, am Samstag am Rande einer deutschlandweiten Tagung von Umweltmedizinern in Würzburg.

Jäger zufolge ist der Schadstoff PCB in der Raumluft von Klassenzimmern jedoch nicht nur für Schulversagen verantwortlich: Auch das Problem der Gewalt an den Schulen sei zu einem gewissen Teil auf die PCB-Belastung zurückzuführen. PCB senke die Aufnahmebereitschaft der Schüler, erläuterte der Pädagoge. Dies führe dazu, dass sich die Schüler durch den Unterricht überfordert fühlen. Es komme zu Aggressionen, die sich in Gewalt entladen.

PCB-Belastung führt nach Aussage des Schadstoffspezialisten zu Lern- und Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Verhaltensauffälligkeit wie Hyperaktivität. Mit Hilfe von Bildgebungsverfahren können die »funktionalen Löcher« im Gehirn sichtbar gemacht werden, die durch PCB verursacht werden. Jäger kritisierte, dass in den Fällen, in denen Schulgebäude wegen einer PCB-Belastung saniert worden seien, nicht selten neue schädliche Stoffe in das Schulhaus eingebracht wurden.

Zu den Schadstoffen, die nach einer Sanierung in Schulgebäuden zu finden sind, gehören laut Jäger Kohlenwasserstoffverbindungen und Flammschutzmittel, die in ihrer Gefährlichkeit PCB nicht nachstehen. Diese Stoffe seien sowohl hormonell als auch neurotoxisch wirksam. Verdacht auf eine Belastung mit PCB bestehe bei allen Gebäuden, die in den 70er Jahren erbaut wurden. Einer ZDF-Recherche zufolge ist beinahe jedes dritte Schulgebäude in den alten Bundesländern mit PCB belastet.

Meist wurden die betreffenden Gebäude in den Jahren 1969 bis 1975 erbaut. Jäger wies darauf hin, dass die langlebige synthetische Chemikalie PCB aber selbst in vollkommen neuen Gebäuden zu finden sei. So musste eine im Jahr 2000 eröffnete Kindertagesstätte im Hoch-Taunus-Kreis nach wenigen Wochen wieder schließen, nachdem der TÜV erhebliche Konzentrationen von Schadstoffen festgestellt hatte. Aufgefallen waren vor allem Weichmacher in Dichtmassen und Flammschutzmittel.

Lehrkräfte, die in einem der »billig und schnell erbauten« Gebäuden aus den 70er Jahren unterrichten müssen, riet das GEW-Mitglied, vom Dienstherrn eine »Unbedenklichkeitsbescheinigung« zu verlangen. Daraus solle hervorgehen, dass ein regelmäßiger Aufenthalt in dem betreffenden Bau keine negativen Konsequenzen für die Gesundheit mit sich bringe. Werde dies verweigert, solle der Personalrat einen Katalog mit allen Befindlichkeitsstörungen des Kollegiums erstellen.

Wer eine Raumluft-Untersuchung durchsetzen möchte, kommt erfahrungsgemäß an juristischen Schritten nicht vorbei, so der Gewerkschafter. Jäger riet, an der Schule einen Gesundheitsausschuss einzurichten. Erfolge auch dann keine Reaktion von Seiten der Schulleitung, solle Beweissicherung beim Amtsgericht beantragt oder Klage beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Bei einem Ja zu Untersuchungen sei darauf zu achten, dass diese nicht ausschließlich an kalten Tagen erfolgen.

pat