Mehr Pädagogik auch für Gymnasiallehrer:
Uni und Berufsverband für extra Lehrstuhl

Gewerkschaft kritisiert Bestrebungen massiv: Schon heute pädagogisch arbeiten

Würzburg. Ab dem Wintersemester 2001/2002 wird das Lehramtsstudium inhaltlich stärker pädagogisch ausgerichtet. Experten befürchten jedoch, dass angehende Gymnasiallehrer davon kaum profitieren. Während einer Podiumsdiskussion am Montag an der Universität Würzburg forderten Vertreter der Hochschule und des Bayerischen Philologenverbands deshalb, einen eigenen Lehrstuhl für gymnasiale Pädagogik zu schaffen.

Aufgabe einer Gymnasialpädagogik ist es nach Ansicht des Präsidenten der Universität, Professor Dr. Theodor Berchem, dem Beruf des Gymnasiallehrers einen »geistigen Überbau« zu geben. Die Lehrer drohten zu »Fachidioten« zu werden. Angesichts der wachsenden geistigen Desorientierung im Verbund mit dem schwindenden Einfluss von Kirchen und Parteien als Wertevermittler seien Lehrer heute wichtiger als je zuvor, meinte Berchem.

Gemeinsame Projekte

Neben einer Erweiterung des Lehrangebots durch praktizierende Lehrer, die an der Hochschule Übungen und Seminare abhalten, wünschte sich Berchem mehr gemeinsame Projekte zwischen Unidozenten und Gymnasiallehrern. Angehende Gymnasiallehrer müssten durch pädagogische Reflexion die Fähigkeit erwerben, mit schwierigen Situationen fertig zu werden.

Eine gymnasiale Pädagogik sei nicht dafür da, Tricks und Kniffe zur Vermittlung des Lernstoffs zu verraten. Nach Ansicht des Universitätspräsidenten müsse eine Gymnasialpädagogik vielmehr über die »ideale Lehrerpersönlichkeit« nachdenken. Diese müsse es zum Beispiel verstehen, Schüler zu motivieren und durch die eigene Persönlichkeit zu überzeugen. Selbstverständlich sei darüber hinaus, dass ein Gymnasiallehrer über umfangreiches Fachwissen verfüge.

Eigener Lehrstuhl schon ab 2002?

Nach Ansicht des CSU-Landtagsabgeordneten Dr. Walter Eykmann müsse im Freistaat ein Lehrstuhl für die Gymnasiallehrerausbildung geschaffen werden, ohne dass die betreffende Universität hierfür eine andere Stelle opfere. Eykmann sah Chancen, einen entsprechenden Lehrstuhl im Doppelhaushalt 2002/2003 genehmigt zu bekommen. Bereits ab Beginn des kommenden Sommersemesters sei es möglich, dass Gymnasiallehrer an den Unis lehren.

Zu den Besonderheiten des Gymnasiums zählen nach Ansicht von Rainer Rupp, dem Vorsitzenden des Bayerischen Philologenverbands, Heranwachsenden einen »sperrigen Unterrichtsstoff« zu vermitteln. Inzwischen müssten sich Religionslehrer vor der Klasse rechtfertigen, warum sie überhaupt da seien. Deutschlehrer stünden vor der Herausforderung, einer pubertierenden Klasse ein Gedicht aus der Epoche des Barock oder der Romantik näher zu bringen.

Gemäß ihres Auftrags als demokratische Leistungsschule müsse das Gymnasium auch Auslese betreiben. Für angehende Gymnasiallehrer stelle sich deshalb mehr als für Lehrer anderer Schulen die Frage nach der Art und Weise der Schülerbegegnung, der Autorität und der Disziplinierungsmethoden. Man habe es als Gymnasiallehrer nicht wie in der Grundschule mit Schülern zu tun, die den Lehrer als Identifikationsfigur benutzen und »ihm Bildchen malen«.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) in Unterfranken hat unterdessen mit deutlichen Worten auf die Forderungen nach einer »Gymasialpädagogik« reagiert. Statt für jede Schulart eine eigene Pädagogik zu schaffen, solle besser endlich in jeder Schulart pädagogisch gearbeitet werden, sagte der Sprecher der GEW-Fachgruppe Gymnasium, Eugen Eder-Clouston, in Würzburg.

Krise der bayerischen Gymnasien

Die Forderungen nach einer »Gymnasialpädagogik« seien Folge der Krise des bayerischen Gymnasiums, in dem es vor allem um die Wissensvermittlung durch lehrerzentrierten Unterricht gehe und die Fähigkeiten und Interessen der Schüler und Schülerinnen von »Stoffhuberei und pädagogikfreien Unterrichtsmethoden« zugeschüttet werden, so die GEW.

»Wir brauchen eine Pädagogik für die Kinder, nicht eine Gymnasialpädagogik, die sich Kinder nach ihrem Bilde schnitzt«, kritisierte Eder-Clouston. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür gebe es bereits seit 150 Jahren an den Universitäten in Bayern.pat