Kapitulationserklärung der Bildungspolitik

Sozialministerin Ursula von der Leyen will mit ihrer Bildungskarte die Kinder von Hartz IV-Empfängern in ihrer Bildungslaufbahn angeblich „individueller“ und „gezielter“ fördern. So sollen z.B. Mittagessen an Schulen, Lernmaterialen und Nachhilfe als Bedarfsleistung von Fall zu Fall über Bildungsguthaben auf einer Chipkarte eingelöst werden. Das Vorhaben steht durchaus noch breit in der Kritik: Angefangen vom berechtigten Hinweis auf eine Stigmatisierung der betroffenen Kinder (was man durch eine Chipkarte für ALLE langfristig entkräften möchte) über das angemahnte „Bürokratiemonster“ und die hohen Kosten (Karten und Lesegeräte) gibt es unseres Erachtens noch eine viel grundsätzlichere Kritik:

Abgesehen davon, dass man dadurch erstens um eine allgemeine Anhebung der Hartz IV - Regelsätze herumkommt, wird gleichzeitig Bildung schleichend weg vom Bildungsministerium hin zum Sozialministerium eingeführt. Statt das Bildungswesen von den Kitas über Schulen bis hin zum Hochschulwesen über allgemeine Steuereinnahmen auf einen guten und internationalen Standard zu bringen, gibt es Bildung als Almosen, gesteuert vom „Familienlotsen“ der Jobcenter. Und wenn die öffentlichen Gelder gar nicht mehr reichen, müssen Stiftungen, private Mäzene und Spender her. Auch die sind im Bildungsprojekt der Ursula von der Leyen schon eingeplant.

Wenn aber die großspurige Ankündigung der Sozialministerin auf individuelle Bildungsförderung ernst genommen würde, warum werden dann nicht auf direktem Weg mehr Ganztagsschulen (mit Schulessen) eingeführt? Warum werden nicht alle ausgebildeten Lehrer und Lehrerinnen eingestellt, um die Klassen zu verkleinern, um individueller auf die Kinder eingehen zu können? Und ist die dramatische Zunahme von Nachhilfeunterricht nicht ein gravierender Hinweis auf eine weitaus tiefer liegende Schieflage unseres gesamten Bildungssystems?

Der Nachhilfeunterricht auf Chipkarte jedenfalls wird die Probleme unserer „Bildungsarmut“ auf Dauer nicht lösen. Profitieren davon werden allenfalls die großen Nachhilfeinstitute, für die die Anschaffung der Lesegräte das geringste Problem darstellt und die sich schon jetzt auf die Erschließung neuer Kundenschichten freuen (die individuelle Nachhilfe – etwa durch ältere Schüler wäre mangels Abrechnungsmöglichkeit damit übrigens auch schnell passé).

Alles in Allem- Ihre Bildungskarte, Frau von der Leyen, sticht leider nicht!

-- Isabella Zang
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Unterfranken
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