" Las experiencias en decentraisación educativa en Nicaragua 1979-2002 ", Vortrag des Vorsitzenden der nicaraguanischen Bildungsgewerkschaft CGTEN-ANDEN José Antonio Zepeda auf dem Kongress "Fatal Global?!" am 06.09.2003 in Berlin, Workshop "Bildung ist keine Ware"
Übersetzung: Albrecht Sylla, GEW Unterfranken
Mit dem Sieg der sandinistischen Volksrevolution 1979 wurde als administratives Instrument die Grundlage für die Regionalisierung des Landes gelegt. Diese Regionalisierung bestand darin, dass Verwaltungsverantwortlichkeiten vom Zentrum weg in die Fläche verlagert wurden, um die Departements in ihrer besonderen Charakteristik zu unterstützen. Durch den Plan für das Bildungswesen ermöglichte die Regionalisierung einmal die Entwicklung pädagogischer Initiativen und gleichzeitig die Lösung von Problemen und Schwierigkeiten in der Verwaltung der Schulen. Die Zentralisierung des Haushaltes für den Bildungsbereich war eine der Schwächen, sie brachte keine Lösung hinsichtlich der Gehaltsforderung. Im Prozess der Regionalisierung war eine fundamentale Entwicklung in den Departements möglich, nämlich dort, wo die Ministerialbeauftragten (bzw. Departements-Schulämter) ihren Sitz hatten. So gut die Verlagerung von Verwaltungskompetenz in die Regionen auch funktionierte, man sah nicht vorher, dass sich wieder eine Konzentration am Sitz der Ministerialbeauftragten (bzw. Departements-Schulämter) ergeben würde, die dann wieder zu ungleichen Entwicklungen in den Departements führen mussten.
Mit der Wahlniederlage der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) begann Anfang der 90ger- Jahre eine Demontage der Strukturen, die von der revolutionären (sandinistischen) Regierung errichtet worden waren, einschließlich einer Gegenreform des Erziehungssektors mit religiöser Prägung, beeinflusst durch die Maßgaben der katholischen Kirche. Dieses Projekt (der Gegenreform) wurde geboren, entwickelt und unterhalten von der Weltbank.
Absicht des Projektes ist, die finanzielle Verantwortlichkeit den einzelnen Schulen zu übertragen. Die "Schulautonomie" besteht darin, dass ein ökonomischer Kostenfaktor pro Schüler ermittelt wird, dann durch eine "mathematische Formel", die auf die Schülerzahl zu Schuljahresbeginn Bezug nimmt, die Finanzmittel für die Schule festgestellt und zugewiesen werden. Die "Schulautonomie" bedeutet auch, dass die Lehrkräfte einer Schule kein Beschäftigungsverhältnis mit dem Staat haben, sondern ihren Arbeitsvertrag mit der jeweiligen Bildungseinrichtung abschließen. Dort ist ein leitendes Gremium installiert, dem Eltern, Schüler, Lehrer und der Direktor angehören. Dieses Gremium hat die Aufgaben, die Finanzmittel zu verwalten, das Personal anzustellen und über die Ausgaben für den Schulbetrieb und den Unterhalt der Gebäude zu entscheiden. Mit anderen Worten: die Regierung überträgt die Finanzverantwortlichkeit auf die einzelne Schulgemeinschaft. Der Staat spielt dabei nur noch eine unterstützende Rolle.
Mittlerweile hat sich die These festgesetzt, dass sich die Effizienz des Erziehungsbereichs in der Einsparung von Finanzmitteln messen lassen muss und nicht in der Qualität der Bildung.
Das Projekt der /"Schulautonomie") führte u.a. zu folgenden Resultaten:
a) Kommerzialisierung von Bildung,
b) Ausschluss von Schülern aus finanziellen Gründen,
) Verzögerung bei der Zuweisung der (staatlichen) Haushaltmittel bzw. deren
anderweitige Verwendung,
d) Beschädigung der Qualität der Bildung,
e) Zunahme institutioneller Repression,
f) Arbeitsrechtliche Instabilität.
Die Verlagerung auf örtliche Verantwortlichkeit ist ein Projekt des Stillstandes, der Hemmnisse, der Verhinderung. Es nimmt weder das Erziehungsministerium, noch die Rathäuser, noch die Gewerkschaften in die Pflicht.
Bei der Autonomie der Schulen ist es so: die Kommune erhält Finanzmittel je nach Anzahl der Schüler. Und nur über diese Mittel verfügt der Bürgermeister und er kann sie nur direkt für die Bildung in den Schulen verwenden. Auf Grund der Gemeindeautonomie herrscht in den Kommunen Beschäftigungsstabilität, was seitens der Gewerkschaften unterstützt wird. Aber es gibt keine Möglichkeit, über Löhne und Gehälter zu verhandeln und keine Tarifverträge. Diesbezüglich wird wieder zentral verfügt.
Der Prozess der Autonomisierung der Bildungseinrichtungen vollzog sich indem einfach Fakten geschaffen worden sind. Rechtliche Regelungen wurden keine getroffen, außer dass auf Drängen des Ministeriums die Direktoren der einzelnen Schulen Vereinbarungen mit dem Ministerium unterschrieben. Die Weltbank nun drängte auf eine gesetzliche Fixierung des Projektes.
1998 wurden zwei Gesetzesentwürfe vorgelegt:
Einer vom Ministerium für Erziehung, Kultur und Sport, welches die Autonomie der Schulen festschreibt. Ein anderer Gesetzesentwurf wurde von uns (der Gewerkschaft) vorgelegt. Er bezog sich auf die Struktur und Stabilität des Bildungssystems in seiner Gesamtheit.
1999 wurde die "Nationale Bildungsstrategie" beschlossen aus der sich der "Nationale Bildungsplan" ableitet, der drei Säulen hat:
1) die Säule der Finanzierung
2) die Säule des gesetzlichen Rahmens
3) die Säule der Aufgaben staatlicher Politik
Im Jahr 2000 wurde dann noch das Gesetz zur "Partizipation" der Eltern am Bildungsprozess vorgelegt, eine Bedingung der Weltbank. Es bekam im Jahr 2002 Gültigkeit.
Die Bildungsgewerkschaft CGTEN-ANDEN befasst sich mit dem Prozess der Dezentralisierung, wo er real und effektiv ist, und macht eigene Vorschläge. Die Anträge, die sowohl beim Ministerium für Erziehung, Kultur und Sport als auch beim Bildungsausschuss der Nationalversammlung (Parlament) eingebracht haben, sind klare Prüfsteine zum Gesetz der "Partizipation".
Es handelt sich um ein Gesetz, das klar festlegt, welche Befugnisse der Schulgemeinschaft übertragen werden.
a) Es definiert, wer zur Schulgemeinschaft gehört (Art. 2, Abs.2).
b) Es legt fest, wer die oberste Entscheidungsbefugnis an einer Schule hat
(Art.3).
c) Es präzisiert, wer die Gremien der Schulgemeinschaft wählt und wie (Art 3,
Art. 5).
d) Es stellt fest, dass das Ministerium für die einzelne Schule da ist und
nicht umgekehrt (Atr.8).
e) Es legt das Ausschreibungs- und Wahlverfahren für die Schulleitung fest
(Art. 9).
f) Es stellt die staatliche Pflicht zur Bildungsfinanzierung fest (Art. 16).
g) Es beschreibt die Mechanismen zur Dezentralisierung (Art. 22).
h) Es legt das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen den Beschäftigten und dem
Ministerium fest und nimmt Bezug auf das Lehrerbildungs- und
Lehrerlaufbahngesetz.
Eine Schwäche dieses Gesetzes ist der geringe zeitliche Rahmen, um es tatsächlich in der Zivilgesellschaft zu verankern.
Das Ministerium tut nichts zur Anpassung des Prozesses der Dezentralisierung. Durch Verordnung will es sich Eingriffs- und Vetorechte schaffen. Beispiele:
- Absetzung von Leitungsgremien
- Ernennung von Interimsrektoren
- Ratenzahlungen, welche die Schulen in Zahlungsschwierigkeiten bringen
- Setzen von Bedingungen, die das Gesetz nicht vorsieht, um die Planungen der
Schule zu behindern
Das Gesetz ist gut, Veränderungsbedarf gibt es bei den Verantwortlichen im Ministerium. Dort muss eine Demokratisierung stattfinden.