25 Jahre Nica-Solidarität in Aschaffenburg

Wolfgang Buckwar, Aschaffenburg, Café "Schwarzer Riese", 21.04.2005

Wie fing das alles damals an?

Als im Juli 1979 die FSLN den Diktator Somoza stürzte, gab es in AB schon einen offenen Arbeitskreis "Dritte Welt", der seit Mitte der 70er Jahre arbeitete.

Am 11 September (!!) 1973 hatte es gegen die damals regierende chilenische Volksfrontregierung einen Terroranschlag gegeben, in dessen Folge ihr Präsident Salvador Allende ermordet und der General Pinochet an die Macht geputscht wurde. Die USA, die seit dem 11. September 2001 angeblich weltweit "Kriege gegen Terror" führt, hat damals diesen Mord und die im anschließenden Terror gegen die Bevölkerung erfolgten Folterungen, Verschleppungen und Morde durch die Militärdiktatur maßgeblich unterstützt.

In Aschaffenburg hatte sich während der den Putsch vorbereitenden Fuhrunternehmer-Streiks ein Chile-Komitee zusammengefunden. Diese Solidaritätsgruppe beschäftigte sich auch mit der Apartheid in Südafrika und Hunger in Afrika. Im Oktober 1979 erschien in der Stadtzeitung "Frischluft" ein Artikel mit dem Titel "Die wahren Ursachen des Hungers"

Ab 1980 arbeitete diese Gruppe auch zu den Themen Nicaragua – El Salvador. In El Salavador war ein Militärregime an der Macht, das mit Unterstützung der USA die Opposition mit Terror und Folter verfolgte. Am 24.3.80 war Erzbischof Romero von staatlichen Killerkommandos ermordet worden. Anders sah es zu diesem Zeitpunkt in Nicaragua aus. Hier herrschte Aufbruchstimmung bei der Neugestaltung der Gesellschaft. Sie erfolgte mit drei Schwerpunkten:

Schon zu Beginn der 80er Jahre setzten die ersten Spendensammlungen ein. Zunächst im kleinen Rahmen, z.B. auf Geburtstagen.

III 82: in Erlenbach/M. wird vor mehr als 150 Besuchern ein Dokumentarfilm zu El Salvador gezeigt. 

VI 82: der AK 3. Welt vernetzt Jugend- und Kulturverein Lufthof, AKL, GRÜNE, Türkisches Volkshaus, Dein-Echo

USA: Aufbau und Ausrüstung der Contras zu Terrorisierung der Bevölkerung Nicaraguas insbesondere im Norden.

III 83: der Papst landet in Managua. Sein Besuch ist im Zusammenhang seiner Gegenagriffe auf die  Theologie der Befreiung anzusehen. In Nicaragua gehören drei Minister der "Volkskirche" an. Der Papst ermahnt sie: "Sie müssen ihre Situation in Ordnung bringen!" Auf dem Platz der Revolution des 19. Juli sind eine halbe Million Menschen versammelt. Der Papst verweigert den Müttern eine Fürbitte um 17 Jugendliche in den Händen der Contras. Er versucht die entstehenden Tumulte mit einem unwürdigen Ruf nach Ruhe zu glätten.

IV 83: Bei einem solchen Überfall wird "Tonio" Pflaum in Wiwili erschossen. Der AK 3. Welt unterstützt eine öfftl. Protesterklärung.

1983 ist auch das Jahr der ersten Arbeitsbrigaden. Im Dezember 1983 liegen 900 Bewerbungen vor. Es wird das Informationsbüro Nicaragua in Wuppertal gegründet.

1985: der Arbeitskreis ist angewachsen auf 20-30 TeilnehmerInnen aus GEW, DGB-Jugend, Jusos, GAL (H. Büttner), 3. Welt-Laden, Libertäres Forum

IX 85: Die Grünen/Alternative Liste (H. Büttner) stellen einen Antrag auf Partnerschaft mit einer nicaraguanischen Stadt. Daraufhin kursiert eine Einladung zur Bildung einer Nicaragua-Initiative (bis Anfang 1986). Die anschließende Debatte um eine entsprechende Vereinsgründung endet mit dem Ergebnis, dass ein eher lockeres Bündnis nach dem Vorbild des Friedenskomitees gebildet werden wird, in dem das nun entstandene Nicaragua-Komitee auch mitarbeitet.

Aus diesem Kreis von Komitee-MitarbeiterInnen rekrutieren sich auch die Aschaffenburger Brigadisten:

Albrecht Sylla (Schulbau Masaya), Wolfgang Buckwar und Peter Sauer (Kaffeeernte Matagalpa), Angelika Götz (von der Contra entführt), Rani Böttcher.

1986: Jahr der Öffentlichkeitsarbeit
Nach einer Filmvorführung im Ratskeller im Februar folgen Vortragsabende mit Dias und Diskussion in Wiesen, Miltenberg, Obernburg, Volkshochschule Aschaffenburg. Veranstaltungen zum Thema Menschenrechte finden in Goldbach, Kleinwallstadt und in Aschaffenburg (Brentanoschule) statt. Im November gibt es einen Theaterabend im Martinushaus mit Rudi Rhode

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag verurteilt die USA unter Reagan wegen der Verminung von Häfen und der Contra-Überfälle. Nicaragua bekommt Schadensersatz zugesprochen.
Ein Beispiel dafür, wie die USA immer brutalen Terror ausübten, den sie heute vorgeben zu bekämpfen. Bis heute missachten sie dieses und andere Urteile des Internationalen Gerichtshofes.

V 87: Die Leiterin der San Juan Bosco Schule in Masaya Dona Alba Gomez Ortega, ist auf Einladung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Aschaffenburg zu Besuch. Sie nimmt an einer Mahnwache an der Sandkirche für Bernd Koberstein (Freiburg) und andere Brigadisten (Wasserleitungsbaus) teil. Etwa 100 Personen sind anwesend. Die Veranstaltung wird von einer Einsatzgruppe der Polizei begleitet, was langjährige Aktivisten in Basisgruppen nicht weiter einschüchtern kann.

Der Spendenbetrag von 13.000 DM für die Schule musste mit gemischten Gefühlen im Brustbeutel nach Mittelamerika überbracht werden, da Überweisungen zu diesem Zeitpunkt nicht möglich waren.

1988: Die Dürre des Vorjahres und die darauf folgende Missernte verursachten eine große Hungerkatastrophe. Deshalb wurde im Mai 1988 im "Klimperkasten" ein Soli-Konzert mit Hans Büttners "3EX" organisiert.

Das Nicaragua-Komitee gehört zu den Gründungsmitgliedern des Nord-Süd-Forums.

1989: Im "Gambrinus" findet mit der gewerkschaftlichen Rockgruppe "Unruh" der "Carnaval Nica" statt, ein alternatives Faschingsfest. Der Erlös wir zur Unterstützung des Wiederaufbaus nach dem Wirbelsturm Joan (Herbst 1988) eingesetzt.

18.7. Festveranstaltung im Ratskeller zum 10. Jahrestag der Revolution mit der DGB-Songgruppe.

XII 89 Vortrag von Rani Böttcher in der Volkshochschule

1990: Im Februar wird Violetta Chamorro zur Präsidentin gewählt. Im März beschließt das Komitee:  trotz des Machtwechsels - die Unterstützung geht weiter.

Okt. Ein LKW der DDR-Volksarmee wird aus Thüringen organisiert und unter abenteuerlichen Umständen nach Belgien zur Verschiffung nach Diriomito, Nicaragua gebracht. Fahrer: Michael Lörler, GEW.

1991: Start des Niembaum-Projekts in Diriamba (Bettina Mandelbaum) s. auch http://www.hobbythek.de/archiv/281/#reist 
Bau der Kindertagesstätte in Juigalpa für etwa 40 Kinder. Das Nicaragua-Komitee verpflichtet sich, jährlich 10.000 DM zu überweisen. Diese Verpflichtung konnte bis auf den heutigen Tag gehalten werden.

1992: Veranstaltung: "Cuba – ein politischer Reisebericht"

2005: Unser Kontostand verspricht auch in diesem Jahr wieder die Erfüllung unseres Zieles von inzwischen 5.000 Euro. Den entscheidenden Anteil daran hat Andreas Sickenberger mit seinem inzwischen regelmäßig stattfindenden Bücherflohmarkt. Aber auch die Kollegen der GEW und etliche Privatpersonen spenden regelmäßig oder auch spontan zu Gunsten unseres Projektes in Juigalpa.

Wir werden immer noch gebraucht. Vielleicht mehr denn je. Wir machen weiter im Sinne von Giocarda Belli: "La solidaridad es la ternura de los pueblos."

Venceremos!